Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
jedoch den Indios in die Hände gefallen. Vier der Soldaten wurden auf der Stelle niedergemacht, aber durch einen seltenen Glücksfall blieben Monroy, der auf seinem goldgeschmückten Rotfuchs saß, und einer seiner Begleiter verschont; ein spanischer Soldat, der schon seit Jahren in Chile lebte, rettete den beiden das Leben. Der Mann war in Peru als Dieb verurteilt worden, man hatte ihm beide Ohren abgeschnitten, und in seiner Scham floh er die Begegnung mit seinen Landsleuten und hatte bei den chilenischen Eingeborenen Zuflucht gefunden. Die übliche Strafe für Diebstahl ist in Spanien seit der Maurenzeit das Abhacken der Hand, aber Soldaten schneidet man lieber die Nase oder die Ohren ab, damit sie weiter für den Kampf zu gebrauchen sind. Der Ohrlose griff eben rechtzeitig ein, um zu verhindern, daß die beiden letzten Spanier ebenfalls getötet wurden, von denen der eine, dem vielen Gold nach zu urteilen, sehr reich sein mußte.
Monroy war ein Mann von einnehmendem Wesen, der obendrein überzeugend zu reden verstand; die Indios fanden Gefallen an ihm und behandelten ihn bald nicht mehr als Gefangenen, sondern als Freund. Nach drei Monaten gelang ihm und seinem Begleiter die Flucht zu Pferd, doch mußte er den hochherrschaftlichen Goldputz natürlich zurücklassen. Es heißt, Monroy habe in diesen Monaten derangenehmen Gefangenschaft die Tochter des Kaziken für sich gewonnen und sie geschwängert, aber dabei mag es sich um Prahlerei des Hauptmanns handeln oder um eine dieser Legenden, die bei uns in Unzahl gesponnen werden. Jedenfalls erreichte Monroy Peru und warb dort für Unterstützung, begeisterte etliche Kaufleute und schickte das Schiff voraus, während er selbst mit siebzig Soldaten Monate später auf dem Landweg Santiago erreichen sollte. Dieser galante, loyale und unerschrockene Alonso de Monroy fand zwei Jahre später unter ungeklärten Umständen in Peru den Tod. Die einen sagen, er sei vergiftet worden, andere sprechen von der Pest oder einem Spinnenbiß, und mancher behauptet gar, er sei noch am Leben und habe sich still und leise nach Spanien eingeschifft, weil er des Kämpfens müde gewesen sei.
Das Schiff brachte uns Soldaten, Essen, Wein, Waffen, Munition, Werkzeug und Vieh, alles lang ersehnte Schätze. Doch wichtiger noch war der Kontakt zur zivilisierten Welt; wir waren nicht mehr allein im letzten Winkel der Erde. Auch fünf spanische Frauen, Ehefrauen oder Angehörige unserer Soldaten, stießen zu unserer kleinen Kolonie. Seit unserem Aufbruch in Cuzco hatte ich keine Spanierinnen mehr zu Gesicht bekommen, und erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich mich verändert hatte. Ich entschied, die klobigen Stiefel und die Männerkleider zu verbannen, auf die Zöpfe zu verzichten und mir das Haar eleganter zu frisieren, mein Gesicht mit der Creme einzureiben, die Pedro mir geschenkt hatte, kurzum, wieder Wert auf weibliche Anmut zu legen, was ich vor Jahren aufgegeben hatte. Unsere Herzen waren erneut prall von Zuversicht, wir hätten es mit Michimalonko und dem Leibhaftigen selbst aufgenommen, hätten die beiden sich nach Santiago gewagt. Der gerissene Kazike muß es aus der Ferne gerochen haben, denn er griff die Stadt nicht noch einmal an, auch wenn wir uns in der Umgebung oft mit ihm schlagen mußten und seine Mannenbis zu ihren Pucaras verfolgten. Bei jedem dieser Waffengänge wurden die Indios in Massen hingeschlachtet, und man fragte sich, wo die immer neuen Kämpfer herkamen.
Pedro ließ die Ländereien, die er mir und etlichen seiner Hauptleute verliehen hatte, Wirklichkeit werden. Er schickte Unterhändler zu den friedlichen Stämmen, die vor unserer Ankunft im Tal gesiedelt hatten, bat sie, dorthin zurückzukehren, wo sie von jeher gelebt hatten, und bot ihnen als Gegenleistung für ihre Hilfe Schutz, Land und ein sicheres Auskommen, weil die Ländereien ohne Menschenhände nichts wert waren. Viele der Indios, die vor den Kämpfen und vor den Raubzügen der Bärtigen geflohen waren, kehrten zurück. Das verhalf uns zu gutem Gedeihen. Auch brachte der Gouverneur den Kaziken Vitacura dazu, ihm hörige Quechuas zu überstellen, die für harte Arbeit besser geeignet waren als die chilenischen Indios, und mit diesen neuen Yanaconas konnte er die Arbeit am Waschplatz von Marga-Marga wiederaufnehmen und die in anderen Minen beginnen, von denen er Kunde erhalten hatte. Nichts ist vergleichbar mit der Schinderei des Goldwaschens. Ich habe Hunderte Männer gesehen und mindestens so viele
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