Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
ihn mir im Bett mit Muselmaninnenkunst gefügig gemacht, ihm den Saft ausgesaugt, seinen Willen geraubt, und er habe weitgehend nach meiner Pfeife getanzt. Das alles ist haltloser Unsinn. Pedro war ein Dickkopf und wußte sehr genau, was er wollte; niemand hätte ihn durch Hokuspokus oder Kurtisanenzauber vom eingeschlagenen Weg abbringen können, allein vernünftigen Erwägungen war er zugänglich. Es war nicht seine Art, jemanden offen um Rat zu fragen, schon gar nicht eine Frau, aber wenn wir allein waren, ging er oft schweigend im Raum auf und ab, bis ich es angebracht fand, meine Meinung zu äußern. Dabei drückte ich mich stets ein wenig nebelhaft aus, damit er am Ende überzeugt sein durfte, seine Entscheidung allein getroffen zu haben. Das ist ein altbewährtes Vorgehen. Ein Mann tut, was er kann, eine Frau, was er nicht kann. Es schien mir nicht klug, Sancho de la Hoz hinzurichten, auch wenn er das zweifellos verdient gehabt hätte, aber er war durch die königliche Vollmacht geschützt und besaß eine weitläufige Verwandtschaft mit Verbindungen zum spanischen Hof, die Valdivia womöglich der Auflehnung gegen Karl V. zeihen würde. Es war meine Pflicht, meinen Geliebten vor der Folterbank oder der Garrotte zu bewahren.
»Was tun mit so einem Verräter?« knurrte Pedro und schritt einher wie ein Kampfhahn.
»Du hast einmal gesagt, es sei gut, seine Feinde in der Nähe zu wissen, damit man ein Auge auf sie haben kann …«
Anstatt den Festgenommenen gleich den Prozeß zu machen, verschob Pedro de Valdivia die Entscheidung, wolltezunächst die Stimmung unter seinen Soldaten ergründen, Beweise für die Verschwörung der fünf zusammentragen und die Komplizen ermitteln, die sie unter unseren Leuten haben mußten. Überraschend wies er Don Benito an, das Lager für den unverzüglichen Aufbruch nach Süden aufzuheben. Die Festgenommenen wurden in Ketten geschlagen und waren halbtot vor Angst, einzig der närrische Sancho de la Hoz glaubte sich über dem Gesetz stehend, buhlte selbst in Ketten noch um Anhänger für seine Sache und pflegte sein geschniegeltes Äußeres. Er ließ sich ein Mädchen ins Gefängniszelt kommen, das ihm die Kragen stärkte, die Beinkleider glättete, ihn mit Duftwasser besprenkelte, ihm Locken brannte und seine Nägel polierte.
Die Männer quittierten den Befehl zum Aufbruch mit Murren, war ihnen dieser Ort doch angenehm gewesen, er war kühl, es gab Wasser und Bäume. Don Benito mußte sie in scharfem Ton daran erinnern, daß die Entscheidungen ihres Generalhauptmanns nicht zur Debatte standen. Immerhin sei unser Weg dank Valdivia nachgerade ein Spaziergang gewesen; er hatte uns erfolgreich durch die Wüste geführt, nur drei Mann hatten wir verloren, sechs Pferde, einen Hund und dreizehn Lamas. Die toten Yanaconas hatte niemand gezählt, aber Catalina meinte, es seien etwa dreißig oder vierzig gewesen.
Zu Francisco de Aguirre faßte ich sofort Zutrauen, obwohl sein Anblick einen einschüchtern konnte. Mit der Zeit lernte ich seine Härte fürchten. Er war ein Trumm von einem Kerl, ein Schreihals, groß, muskelbepackt und immer zu unbändigem Lachen aufgelegt. Er trank und aß für drei und konnte, wenn man Pedro glauben darf, in einer einzigen Nacht zehn Indianerinnen schwängern und in der nächsten Nacht gleich wieder zehn. All das ist längst Vergangenheit, und Aguirre ist heute ein Greis, wird weder von Gewissensnöten noch von Rachegedanken gepeinigt, ist ganz bei Verstand und gesund, obwohl er Jahre in den stinkendenKerkern von Krone und Inquisition geschmort hat. Daß er ein angenehmes Leben führt, verdankt er den Ländereien, die mein verstorbener Mann ihm gewährte. Man wird schwerlich zwei Menschen finden, die verschiedener wären als mein gütiger und edler Rodrigo und dieser zügellose Francisco de Aguirre, aber die beiden waren einander gute Kameraden im Krieg und Freunde in Friedenszeiten. Rodrigo konnte nicht zulassen, daß sein Weggefährte durch den Undank von Krone und Kirche zum Bettler gemacht würde, deshalb hielt er ein Leben lang seine schützende Hand über ihn. Aguirre, der von Kopf bis Fuß von Schlachtnarben gezeichnet ist, verbringt seine letzten Tage auf seinem Landgut, sieht dem Mais beim Wachsen zu und hat seine Kinder bei sich, seine Enkel und seine Frau, die aus Liebe zu ihm Spanien verließ. Mit seinen achtzig Jahren ist er noch nicht besiegt, träumt weiter von wagemutigen Taten und singt die Schelmenlieder seiner Jugend. Fünf legitime
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