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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Regeln hält. Auch wenn ich die vierte noch gar nicht kenne …
    Â»Und jetzt«, unterbrach Agnes ihre Gedanken, »habe ich Lust auf Sahnetorte.« Sie rieb sich die Hände. »Und du kannst im Refugium nachsehen, ob sich dort etwas getan hat. Du hast dir doch sicher schon etwas gewünscht, oder nicht?«
    Sie machte kehrt, lief über den Steg zurück und wartete am Ufer auf Ines, die ihr nachdenklich folgte.
    Ja, Ines hatte einen Wunsch.
    Aber ob das Refugium ihr den erfüllen konnte …

10.
    Seit einem Jahr wollte Ines Architektin werden. Schon immer hatte sie sich für Bauwerke interessiert, für Brücken, Türme, Schlösser und Glaspaläste, und sich in Gedanken Häuser ausgemalt, in denen sie später – wenn sie erwachsen war – leben wollte: riesige Gebäude mit Glasfenstern, durch die man auf einen See oder einen Wald blicken konnte; hohe Räume mit Wendeltreppen, eleganten Möbeln und Kleiderschränken, in denen die tollsten Kleider zu finden waren.
    Vor einem Jahr war sie mit ihrer Familie in London gewesen. Carmen hatte dort eine Operninszenierung besucht und Veith, Ines und Julian mitgenommen. Es war ein richtiger Familienurlaub gewesen, der schönste seit Langem. Carmen hatte so gute Laune gehabt wie seit Jahren nicht mehr und über das ganze Gesicht gestrahlt, als sie zusammen durch die verwinkelten Straßen und Gässchen von London gezogen waren. Ines war ganz begeistert gewesen von der Stadt. Alles dort hatte so fremd ausgesehen, so geheimnisvoll, so … groß. Und Londons Gebäude! Die mächtigen Steinfassaden der Kirchen und Schlösser, der Buckingham Palace, der Tower – und die modernen Hochhäuser, die sich wie glitzernde Nadeln und silberne Kokons in den Himmel erhoben!
    In diesen Tagen hatte Ines beschlossen, später selbst solche Gebäude zu bauen. Sie wollte Architektin werden, das war ihr größter Wunsch. Wenn sie mit Sonja oder anderen Freundinnen darüber sprach, kam sie sich fast zu erwachsen vor. Die anderen Mädchen wollten alle Sängerinnen oder Models werden, Kunstreiterinnen oder Tierärztinnen. Ines selbst hatte lange Zeit Schauspielerin werden wollen. Aber nun hatten sich ihre Träume verändert.
    Â»Irgendwann baue ich ein Haus, in dem wir alle zusammen leben werden«, hatte sie auf ihrem letzten Geburtstag großspurig verkündet. »Sonne wird Ärztin und bekommt eine schicke Praxis im oberen Stockwerk. Claudi hat im Erdgeschoss ihre Reitschule, mit einer Halle zum Kunstreiten, und für Lara gibt es einen Saal mit Bühne und Laufsteg, damit sie üben kann – mit einem getönten Glasdach, durch das die Sonne scheint.«
    Â»Na klar«, hatten die anderen gespottet. »Du baust uns ein Haus, größer als der Kölner Dom. Träum weiter, Mädel.«
    Und das tat Ines. Sie wusste, dass es keine Spinnerei war. Sie wollte Architektin werden, unbedingt.
    Ob das Refugium ihr dabei helfen konnte?
    Â 
    Wieder stand sie im Flur vor der rätselhaften Tür. Sie war geschlossen, aber die Türklinke blinkte auffordernd, als Ines die Hand darauf zubewegte. Gerade eben war sie mit Agnes vom Spaziergang zurückgekommen. Ihre Oma setzte einen Tee auf, und Ines wollte in das Refugium gehen … sie war schrecklich aufgeregt. Was würde sie in seinem Inneren finden?
    Nun, da sie wieder vor der Tür stand, wurde ihr bewusst, wie verrückt die Sache war. Ein Zimmer, das Wünsche erfüllte. Ein Zimmer, das sie
mitnehmen
konnte …
    Â»Und ich darf es nicht einmal Sonja erzählen«, murrte sie leise.
    Sie drückte die Klinke und öffnete die Tür.
    Das Refugium sah genauso aus, wie sie es verlassen hatte. Das Licht an der Decke flackerte, der Sessel stand unverrückt in der Mitte des Raums, und vor dem Fenster flatterte sanft der Vorhang. Ines konnte den Luftzug hören, und kurz darauf seufzte die Uhr, als der Minutenzeiger vorwärts rückte.
    Null Uhr eins … ihr erste Minute im Refugium.
    Halt, etwas hatte sich doch verändert. Das Grammofon war verschwunden, samt Schallplatte. An seiner Stelle lag auf der Kommode ein schweres Buch mit vielen Hundert Seiten. Seine Buchdeckel glänzten, als käme es frisch aus der Druckerei.
    Ines betrachtete es aus der Nähe.
    Â»Wahnsinn!«, entfuhr es ihr.
    Es war ein Architekturbuch. Ein richtig teures mit unzähligen Skizzen, Fotos, Bauplänen und Erläuterungen zu

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