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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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etwas.«
    Sie ging zum Fenster und winkte Ines herbei. Dann schob Agnes den Vorhang beiseite, und gemeinsam blickten sie in den undurchdringlichen Nebel hinter der Fensterscheibe – ein Meer aus milchigen Schwaden, wie an einer Küste vor der Morgendämmerung.
    Â»Die letzte Regel lautet: Öffne nie das Fenster des Refugiums.« Agnes’ Stimme hatte wieder jenen warnenden Unterton, der Ines eine Gänsehaut bescherte. »Niemals darfst du es aufmachen, die Hand hinausstrecken oder gar hinausklettern. Das könnte dich in großes Unheil stürzen.«
    Â»Was ist denn da draußen?«
    Â»Niemand weiß das. Aber was es auch ist, du darfst es nicht herausfordern.« Agnes legte die Hand auf Ines’ Schulter. »Vier Regeln, mein Kind. Sie sind nicht immer leicht zu befolgen, aber ich weiß, dass du es schaffen wirst. Du bist ein außergewöhnlich kluges Mädchen. Ich kann mir niemand Besseren vorstellen, der das Refugium bekommen soll. Es wird dein Leben bereichern. Es verändert einen Menschen, glaube mir. Und ich bin gespannt, was du daraus machst.« Sie lächelte, sodass sich die Fältchen um ihre Augen kräuselten. »Magst du mir nicht das Buch zeigen, in dem du so eifrig gelesen hast?«
    Ines warf einen letzten Blick auf den Nebel. Dann zeigte sie Agnes, was sie im Refugium gefunden hatte. Sie schwärmte von den Bildern und Skizzen, zeigte Agnes ein paar Gebäude, die sie aus London kannte, und redete wie ein Wasserfall, um zu beweisen, was sie in der einen Stunde alles gelernt hatte. Agnes verstand nur die Hälfte, aber die Begeisterung ihrer Enkelin teilte sie.
    Â»Manchmal wählt das Refugium interessante Wege, um einen Wunsch zu erfüllen. Nun, bestimmt wirst du eines Tages wirklich eine Architektin sein. Das Buch wird dir dabei helfen.«
    Sie streichelte Ines über den Kopf und zog sich zurück, damit sie in Ruhe weiterschmökern konnte.
    Und das tat Ines. Das Buch fesselte sie wie kein anderes zuvor, und obwohl sie nebenbei das Tortenstück verputzte, wendete sie die Augen keine Sekunde ab, bis … ja, bis sie wieder ein Seufzen hörte und verärgert zu der silbernen Uhr hinüberblickte.
    Die Zeiger standen auf drei Uhr.
    Ines klappte das Buch erschrocken zu.
    Â»Das glaube ich nicht … habe ich wirklich drei Stunden lang gelesen?«
    Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie um halb sechs den Bus auf dem Dorfplatz kriegen musste! Sonst würde sie es auf keinen Fall bis acht nach Hause schaffen. Ihre Eltern würden bei Sonja anrufen und fragen, wo sie bliebe, und dann würde herauskommen, dass Ines gelogen hatte. Und das würde riesigen Ärger geben …
    Sie nestelte ihr Handy aus der Hosentasche, um nachzusehen, wie spät es denn nun wirklich war. Aber das Display war grau und zeigte nichts an. Dabei war der Akku am Morgen noch voll gewesen.
    Â»Ich muss mich beeilen«, befahl sie sich, legte das Buch zurück auf die Kommode und schnappte ihren Rucksack, der noch achtlos auf dem Teppich lag, wo sie ihn beim Eintreten abgestellt hatte. Sie wollte sich schnell von Agnes verabschieden und den Bus erwischen.
    Schon war sie bei der Tür und griff nach der Klinke – der Frau mit dem wehenden Gewand. Sie wollte die Tür aufziehen, aber es ging nicht.
    Sie klemmte!
    Â»Was in aller Welt …«
    Hinter sich hörte Ines den Luftzug am Fenster. Sie warf einen Blick über die Schulter.
    Die Nebelschwaden hinter der Scheibe erschienen ihr lebendiger als zuvor. Sie ballten sich zusammen, als würde ein starker Wind sie bedrängen.
    Ines rüttelte an der Klinke. Sie wollte hinaus, so rasch wie möglich.
    Endlich gab die Tür nach und ließ sich aufziehen.
    Aber draußen war nicht der Flur zu Agnes’ Küche.
    Ines erkannte eine Couch, einen unaufgeräumten Tisch mit einem Computer und ein Hochbett, auf dem sich weinrote Kissen türmten.
    Und es war nicht irgendein Bett, sondern
ihr
Bett. Genau wie der Tisch und die Couch und der Computer.
    Sie blickte in ihr eigenes Zimmer, zu Hause, in der Wohnung ihrer Eltern. Aus der offenen Tür des Refugiums!
    Die Tür war in der Wand, wo sonst das Poster von Johnny Depp hing.
    Ungläubig setzte Ines einen Schritt aus dem Refugium hinaus.
    Die Tür klappte fast geräuschlos hinter ihr zu.
    Es war ganz still. Auf dem Schreibtisch leuchtete die Digitalanzeige ihres Weckers: 19:20 Uhr.
    Ines hatte das Refugium mitgenommen, so wie

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