Ines oeffnet die Tuer
machte.
»Tolle Eltern haben wir.« Ines fuhr ihrem Bruder durchs Haar. »Magst du Karten spielen?«
Das lieà sich Julian nicht zweimal sagen. Er holte das Kartenset aus seinem Kinderzimmer, Ines legte eine CD ein und sie spielten Canasta. Aber Ines war nicht bei der Sache.
Ich muss das mit Karol endlich klären, nahm sie sich vor. Auch für mich. Will ich überhaupt was mit ihm? Mann, es ist alles so chaotisch ⦠und dann die Sache mit dem Refugium. Ich werde noch verrückt.
»He, du darfst so nicht rauskommen«, unterbrach Julian ihre Gedanken. »Du brauchst dreiÃig Punkte!«
Ines legte ihre Karten ab. »Wir machen eine Pause. Sagen wir einfach, du hast gewonnen.«
»Aber wir haben doch gerade erst drei Runden â¦Â«
»Ich brauch jetzt Zeit für mich«, unterbrach Ines ihn. »Nun geh schon.«
Julian räumte schweigend die Karten zusammen. Seine Enttäuschung war nicht zu übersehen. Ines tat es sofort leid, ihn zurückzuweisen. Aber sie hatte im Augenblick keinen Nerv für ihren Bruder.
Kaum hatte Julian das Zimmer verlassen, klingelte ihr Handy. Das Display zeigte Sonnes Nummer an.
»Was willst du schon wieder?«, nörgelte Ines, nachdem sie das Gespräch angenommen hatte. »Ist dir langweilig?«
»Na, du hast ja heute eine Laune«, meldete sich Sonjas Stimme. »Du warst schon in der Schule so komisch. Was ist los mit dir?«
»Nichts«, log Ines. »AuÃerdem hast
du
angerufen. Also, was willst du?«
»Eigentlich nichts Besonderes ⦠na ja ⦠vielleicht doch«, druckste Sonja herum. »Hör zu, vorhin hat mich Karol angerufen.«
Ines setzte sich schnurgerade auf.
»Was?«
»Jetzt frag bitte nicht, woher er die Nummer hat. Von mir auf jeden Fall nicht! Er muss sie sich besorgt haben.« Sonja kicherte verunsichert. »Er meinte, dass ab vier die Band von Anfisas Bruder probt, in dem Jugendklub ⦠und ob ich hinkommen mag.«
Ines spürte einen Kloà im Hals. Schwer und eisig.
»Ich wusste nicht, was ich antworten sollte«, hörte sie Sonja wie aus weiter Ferne sagen. »Na ja, und dann meinte ich, dass ich es mir überlege ⦠Wie auch immer ⦠wir sollten hingehen. Zusammen natürlich.«
Sie wartete vergeblich auf eine Reaktion von Ines.
»Nun sag doch was ...«
»Was soll ich sagen?«, giftete Ines los. »Du weiÃt genau, dass ich auf Karol stehe. Und jetzt ruft er dich an. Dich!«
»Das bedeutet gar nichts. Anfisa wird auch da sein und andere Mädchen. Du kennst doch Karol.« Sonja gab sich alle Mühe, die Situation zu entschärfen. »Na komm schon, ich glaube nicht, dass er etwas von mir will.«
»Aber du würdest ihn schon nehmen, oder?« Inesâ Stimme klang kalt.
»Hm ⦠weià nicht ⦠eher nicht«, sagte Sonja ausweichend. »Vielleicht will er ja auch über mich an dich herankommen. Hast du daran schon mal gedacht, du Genie?«
Ines fand es rührend, dass Sonja sie aufmuntern wollte. Aber die Kränkung saà tief.
»Lass uns bitte kein Drama daraus machen«, seufzte Sonja. »Ich verspreche dir, meine Finger von ihm zu lassen. Pech und Schwefel, du weiÃt schon.« Sie machte eine kurze Pause. »Aber nur, wenn du mitkommst und ein bisschen Mut zeigst. Haben wir uns verstanden?«
Der Kloà in Inesâ Hals zerfiel in einen prickelnden Schauer, der in ihre Magengrube sackte und dort ein unbeschreibliches Gefühl hinterlieÃ.
»Also gut, ich bin dabei«, sagte sie und gab sich Mühe, nicht zu aufgeregt zu klingen. »Um vier Uhr, sagst du? Dann bleibt ja nicht viel Zeit.«
»Ich hol dich ab«, versprach Sonja und schon hatte sie das Gespräch beendet.
Ines sank auf die Sofakissen nieder. In ihrem Herz pochte riesige Vorfreude, die aber schnell von Mutlosigkeit überschattet wurde.
Was mach ich denn jetzt?, dachte sie. Ist es nicht offensichtlich, dass Karol etwas von Sonja will? Am Ende mache ich mich nur lächerlich ⦠o Mann, zu viele Gedanken! So ein Mist.
Am liebsten hätte sie sich in den Kissen vergraben wie eine Maus oder sich für ein paar Stunden unsichtbar gemacht wie Oma Agnes.
Aber für solche albernen Wünsche blieb keine Zeit.
Um vier Uhr würde sie Karol sehen, und Ines konnte nur hoffen, sich nicht zu blamieren.
13.
Um halb vier stand Sonja vor der Haustür. Ines staunte nicht schlecht, als sie ihre
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