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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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doch drauf ankommen lassen …
    Ein schwaches Licht lenkte ihren Blick auf die Tür des Refugiums. Sie war verschlossen, aber durch das Schlüsselloch fiel ein Lichtstreif in Ines’ Zimmer. Feiner Staub tanzte darin wie Silberfunken.
    Ob das Licht eben erst angegangen war? Hatte jemand es angeknipst? Vielleicht Agnes?
    Nein, mach dir keine Hoffnungen, rief sich Ines zur Besinnung. Karol hat recht. Agnes ist verschwunden, weil sie es wollte. Ich kann nicht erwarten, dass sie so bald wieder auftaucht.
    Sie streckte die Hand vom Hochbett herab, um den Lichtstrahl mit einer Fingerkuppe abzufangen.
    Ich besitze einen Raum, der Wünsche erfüllt – und habe ihn bisher kaum benutzt. Nur das Architekturbuch und die Locken, die ich zurückbringen musste … ich sollte mir viel mehr wünschen. Das Refugium mehr für mich nutzen. Wer bekommt schon so eine Chance im Leben?
    Sie ging im Kopf ihre größten Wünsche durch. Ein Kuss von Karol … aber da konnte das Refugium wohl nicht viel machen, das musste sie selbst in Angriff nehmen. Dass Agnes wohlbehalten zurückkehrte … auch das konnte sie vom Refugium nicht verlangen.
    Und was ist mit Mamas Stimme? Kann das Refugium ihre Stimmbänder heilen? Neulich war es so schön mit ihr, als sie mir die Haare geschnitten hat. Wenn Carmen wieder singen könnte, würde sich ihre Laune bessern, wir würden uns besser verstehen und könnten mehr Zeit miteinander verbringen.
    Sie hörte ihre Eltern im Wohnzimmer reden. Seit Agnes’ Verschwinden waren zumindest Veith und Carmen zusammengerückt. Veith hing nicht mehr den ganzen Nachmittag bei Herrn zu Hausen herum und Carmen ließ ihre schlechte Laune nicht an ihm aus.
    Ines hörte aus dem Gemurmel zweimal den Namen
Agnes
heraus. Sie wurde neugierig. Vorsichtig befreite sie sich von der Bettdecke, stieg die Leiter des Hochbetts herab und schlich zur Tür.
    Â»Es ist eine Frechheit«, hörte sie Veith schimpfen. »Die Suche einfach einzustellen! Man muss sie doch finden. Vielleicht ist sie in Gefahr.«
    Â»Deine Mutter? Das glaube ich nicht.« Carmens Stimme klang müde. »Was erwartest du noch von der Polizei? Sie haben überall nach Agnes gesucht, dreimal Taucher auf den Seegrund geschickt …«
    Â»â€¦ die nichts gefunden haben! Trotzdem behaupten sie, Agnes wäre ertrunken. Das ergibt keinen Sinn.«
    Â»Vielleicht ist ihr Körper zu tief in den Schlamm gesunken, wie es der eine Polizist vermutet hat. Denk nach, Veith. Die Kleider im Wasser, die Zeugin, die alles beobachtet hat … vor allem die Tatsache, dass Agnes sich nicht bei uns meldet. Sie hätte uns doch Bescheid gegeben, wenn sie am Leben wäre.«
    Es entstand eine kurze Pause.
    Dann hörte Ines ihren Vater weinen.
    Â»Ich kann das nicht glauben. Ich will es nicht! Was soll ich ohne sie tun? Sie war immer da, wenn ich sie brauchte …«
    Ines legte die Handflächen auf die Tür. Am liebsten hätte sie sie aufgerissen, wäre hinüber ins Wohnzimmer gestürzt und hätte Veith umarmt, ihn getröstet, ihm gesagt, dass Agnes lebte.
    Â»Vielleicht ist es besser so«, hörte sie Carmen sagen. »Wie wäre es in den nächsten Jahren mit deiner Mutter weitergegangen? Sie ist immer wunderlicher geworden. Und gebrechlicher, auch wenn du das nicht hören magst. Sicher, für ihre achtundsiebzig war sie unglaublich fit. Aber auch sie ist gealtert. Hättest du sie pflegen wollen? Oder in ein Heim geben? Agnes, die sich keinem unterordnen will? Die es nie verwunden hat, dass die Zeit der Abenteuer vorüber ist?« Carmen stieß hörbar die Luft aus. »Es ist vielleicht besser, dass ihr das erspart bleibt.«
    Ines ballte die Fäuste. Am liebsten hätte sie gegen die Tür gehämmert.
    Wie kann Carmen so etwas sagen? So etwas auch nur denken? Hat sie kein Herz?
    In diesem Augenblick hasste sie ihre Mutter.
    Â»Ines fing schon an, sie sich zum Vorbild zu nehmen«, fuhr Carmen im Wohnzimmer fort. »Ich hatte immer Respekt vor deiner Mutter, das weißt du. Aber meine Tochter soll nicht ihren Lebensweg einschlagen. Agnes hatte keinen guten Einfluss auf sie.«
    Â»Du weißt ja nicht, wovon du redest«, fuhr Veith sie mit tränenschwerer Stimme an.
    Ines rannte zum Hochbett zurück, wollte die Leiter emporstürmen, sich oben auf die Kissen werfen und ihre Wut in die Matratze schreien. Aber sie entschied sich

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