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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Kristallaugen. So hübsche Spielsachen. Niemand stellt hässliche Erinnerungen zur Schau. »Wie lange hat er sie ignoriert?«, fragte ich.
    »Das konnte wochenlang so gehen.« Sie rang mit den Händen. »Einige Male hat er es mehr als einen Monat durchgehalten.«
    Kein Wunder, dass es für Julia so wichtig war, die Aufmerksamkeit von Männern auf sich zu ziehen. »Glauben Sie, das ist der Grund, weshalb sie Model geworden ist?«, fragte ich. »Niemand ignoriert eine Frau auf dem Laufsteg.«
    »Durchaus«, antwortete Candace. »Ich schätze, es ist der Grund für viele Entscheidungen in ihrem Leben.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum einen für ihre Ehe – dass sie so lange bei ihm geblieben ist. Ich glaube nicht, dass jemand anders die Misshandlungen so lange ertragen hätte.«
    Candace hatte natürlich Recht. Schon als kleines Mädchen, als sie sich noch nicht dagegen hatte wehren können, hatte Julia gelernt, endlose Misshandlungen zu erdulden.
    »Und warum haben
Sie
Ihren Mann nicht verlassen?«, fragte ich, überrascht von der Schärfe meines Tonfalls. Es war eine Frage, die ich ebenso gut meiner eigenen Mutter hätte stellen können, was die Wut erklärte, die ich empfand.
    Candace sah auf ihre Hände hinab und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht«, erklärte sie. »Es war ein Fehler. Ich hätte es tun sollen.«
    Dieses Geständnis genügte, um mein Mitgefühl abermals die Oberhand gewinnen zu lassen. Es bestand kein Zweifel daran, dass Candace ihre eigene traumatische Lebensgeschichte hatte, die erklärte, warum sie ihren sadistischen Ehemann nicht vor die Tür gesetzt hatte. »Julia hat schließlich den Absprung geschafft«, sagte ich. »Sie hat ein Kontaktverbot erwirkt und es durchgesetzt. Das hat großen Mut erfordert.«
    »Ich schätze, sie ist jetzt auf dem richtigen Weg«, erklärte Candace und deutete mit einem Nicken auf mich. »Schließlich hat sie Sie gefunden.«
    Candace ging zu Bett, und ich machte mich auf den Weg zurück zum Gäste-Cottage. Es hatte nur etwa fünfzehn Grad, und vom Meer wehte eine salzige Brise herüber. Der Vollmond strahlte so rund und weiß, dass er wie eine idealisierte Version der Realität aus einer Kinderzeichnung aussah.
    Auf halbem Weg zum Cottage bemerkte ich, dass das Licht in Julias Zimmer noch brannte. Durch die geöffneten Fensterläden konnte ich sehen, wie Julia ihr T-Shirt aus ihren Shorts zog. Ich blieb stehen und starrte zu ihrem Fenster hinauf, während sie sich streckte und das T-Shirt über ihren Kopf zog, sodass ihre makellosen Brüste entblößt waren. Sie knöpfte den Bund ihrer Shorts auf und zog den Reißverschluss herunter. Unter ihren Fingern konnte ich die anmutigen Wölbungen ihres Beckens ausmachen. So oft ich sie auch schon berührt und liebkost hatte, verschlug mir der Anblick ihres nackten Körpers doch noch immer den Atem.
    Gerade als Julia sich vorbeugte und aus ihren Shorts stieg, hörte ich Schritte hinter mir. Ich wirbelte herum und sah Billy, der keine fünf Meter von mir halb im nächtlichen Schatten verborgen stand. Ich fühlte mich wie ein auf frischer Tat ertappter Spanner, doch gleichzeitig war es auch, als hätte ich Billy beim Spannen überrascht. Hatte er vor Julias Fenster gelauert und darauf gewartet, dass sie sich auszog?
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich, da mir nichts anderes einfiel.
    Er antwortete nicht.
    »Billy?«
    »Es tut mir Leid«, sagte er leise.
    Er klang so verlegen und verängstigt, dass meine Sorge wegen seines vermeintlichen Voyeurismus augenblicklich der Sorge um ihn wich. »Wir können über alles reden«, sagte ich und ging auf ihn zu. Doch schon nach wenigen Schritten blieb ich wie angewurzelt stehen. Mir wurde schwindlig. »Was zum Teufel ist passiert?«, stieß ich hervor.
    Billy sah an sich hinunter und strich mit seiner Hand über sein blauweiß gestreiftes Hemd, dessen Vorderseite blutbefleckt war. Seine Finger und Handfläche schimmerten rubinrot in der Nacht.
    Mir brach der kalte Schweiß aus. »Ist dir etwas passiert?«, fragte ich und trat näher.
    »Ich glaube … Ich habe vielleicht jemanden umgebracht«, stammelte er, ehe er in Tränen ausbrach.
    Ich blieb stehen. »Umgebracht … Wen?« Mein Blick glitt zu Billys Händen auf der Suche nach einer Waffe, doch ich konnte keine entdecken. »Sag mir, was passiert ist.«
    Er betrachtete seine blutige Hand.
    »Was ist passiert?«, brüllte ich.
    »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er.
    Ich musste Billy förmlich zum Cottage schleifen. Er starrte

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