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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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ganzes Stück hinter dem Gästehaus. Manchmal gehe ich dorthin, um nachzudenken. Billy auch. Und da habe ich die Katze gefunden.«
    »Tot«, sagte ich.
    Garret nickte.
    Julias Gesichtszüge entgleisten. Instinktiv griff ich nach ihrer Hand, doch sie zog sie hastig weg und bedachte mich mit einem Blick, der mich ermahnte, mich mit Intimitäten zurückzuhalten.
    »Vielleicht ist sie einfach nur so gestorben«, fuhr Garret fort. »Ich meine, so was kommt vor.«
    »Das tut es durchaus«, pflichtete ich bei.
    »Ich bin froh, dass du es uns erzählt hast«, sagte Julia. »Danke.«
    »Es tut mir Leid«, sagte er mehr zu mir als zu seiner Mutter.
    Ich schüttelte den Kopf. »Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen.« Ich bemühte mich, ihn so aufmunternd anzulächeln, wie ich nur konnte. »Du hast das Richtige getan. Wir haben Billy nicht aus dem Gefängnis geholt, um tatenlos zuzuschauen, wie er schnurstracks wieder dahin zurückwandert.«
    Die Tür zu Billys Zimmer war geschlossen. Ich klopfte. Keine Antwort. »Ich bin’s, Frank«, sagte ich. Noch immer keine Antwort. Ich rüttelte sacht am Türgriff. Abgeschlossen. »Billy, lass mich rein«, bat ich. Einige Augenblicke verstrichen, dann hörte ich die Federn seines Betts knarren, ehe die Tür aufging – wenn auch nur einen Spaltbreit.
    »Was?«, sagte er, ohne mich anzusehen.
    »Darf ich für ein paar Minuten reinkommen?«
    Er drehte sich um und ging zurück zu seinem Bett, ohne jedoch die Tür zu schließen.
    Ich betrat sein Zimmer. Er saß mit verschränkten Armen auf der Bettkante und wiegte sich hin und her. »Es ist alles so unfair«, stieß er verbittert hervor.
    Ich setzte mich neben ihn. »Ich halte es für fair«, widersprach ich.
    Er hörte auf, sich hin und her zu wiegen, und starrte mich an, als wäre ich ein Verräter.
    »Ich schätze, die Sandersons können unmöglich in dich hineinschauen und erkennen, warum du ihre Tochter angestarrt hast«, sagte ich.
    Er senkte den Blick.
    »Und ich finde, du bist weit über das Ziel hinausgeschossen, Jason zu verteidigen«, fuhr ich fort. »Ich finde, du bist ausgerastet.«
    Er schüttelte den Kopf und schluckte, als würde er im nächsten Moment wieder anfangen zu weinen.
    Ich legte meine Hand auf seine Schulter. »Du hattest einen Filmriss. Du kannst von Glück reden, dass du keinen von diesen Jungs umgebracht hast.«
    »Was soll jetzt werden?«, fragte er, während er noch immer mit den Tränen rang.
    Ich hatte das Gefühl, dass er mir die Tür nun vollends geöffnet hatte. »Ich möchte mit einem Freund von mir reden, der das Riggs Center leitet.«
    »Noch so eine beschissene psychiatrische Abteilung?«
    »Es ist keine psychiatrische Abteilung, sondern eine Klinik, eine Art Sanatorium, das im Westen von Massachusetts liegt.«
    »Oh, Verzeihung«, gab er zurück. »Mein Fehler. Ein Irrenhaus.«
    »Der medizinische Leiter ist ein guter Freund von mir. Er …«
    »Ich gehe nirgendwohin«, unterbrach er. »Lassen Sie mich in Ruhe.«
    Ich hatte nicht vorgehabt, die Katze zu erwähnen, die Garret gefunden hatte, doch ich musste Billy davon überzeugen, sich selbst zu helfen, ohne dabei jegliche Hoffnung auf eine Beziehung zwischen den Jungen zu zerstören. »Ich habe hinter dem Gästehaus eine Katze gefunden«, log ich. »Auf dem Weg zum Bach?«
    Billy sah mich an und blinzelte nervös.
    »Eine tote Katze«, sagte ich.
    Das Blinzeln hörte auf. »Und?«
    »Das macht mir Sorgen«, erklärte ich. »Und es sollte dir ebenfalls Sorgen machen.«
    »Warum?«, fragte er. »Glauben Sie, ich hätte sie auf dem Gewissen?«
    Ich sagte nichts, was Billy und ich gleichermaßen als meine Antwort verstanden. Etwas in Billys Augen erlosch – etwas, das ich nicht einmal bewusst bemerkt hatte, ehe es verschwunden war. Sein Vertrauen in mich. Mir war jedoch nicht ganz klar, ob es nicht nur das Vertrauen eines Soziopathen war, dass ich ihm nicht in den Rücken fallen würde. Er stand auf. »Verschwinden Sie«, sagte er und ballte die Hände zu Fäusten.
    »Billy …«
    »Bitte«, sagte er, und die Muskeln an seinen Armen zuckten.
    Ich stand auf. »Denk über meinen Vorschlag nach«, sagte ich. »Es ist der richtige Weg.« Ich ging an ihm vorbei aus dem Zimmer.
    Als ich mich kurz vor 3 Uhr früh schlafen legte, brannte im Haus noch immer Licht. Um 3 Uhr 45 klopfte jemand an meiner Tür. Aus irgendeinem Grund nahm ich an, es wäre Julia, die aus Sorge um Billy nicht schlafen konnte und die Angelegenheit mit mir besprechen wollte.

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