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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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verzichte lieber auf alles, was abhängig machen kann«, sagte ich. »Ich hatte früher mal Probleme mit diesem Zeug.«
    Er nahm diese Enthüllung auf, ohne mit der Wimper zu zucken. »Das wusste ich nicht. Dann begnügen wir uns eben mit Motrin.«
    »Danke.«
    »Solltest du Fieber, Schüttelfrost oder Schwellungen bekommen, kommst du sofort wieder her. Versprochen?«
    »Versprochen«, sagte ich.
    »Die externen Fäden werden in zehn Tagen gezogen. Die inneren lösen sich von selbst auf«, erklärte er.
    »Dann sehe ich dich also in zehn Tagen wieder.« Ich biss die Zähne zusammen und setzte mich auf. Meine Seite fühlte sich an, als würde sie vom Rest meines Körpers abgerissen werden.
    »Übrigens wollen die Cops mit dir reden«, sagte er. »Aber ich habe mir die Freiheit genommen, einen Freund von dir auf Nantucket über deinen Zustand zu informieren. North Anderson? Er hat mir erzählt, er hätte bereits von seinen Polizeikollegen hier gehört, was passiert ist. Ich hoffe, es war kein Fehler, ihm Bescheid zu sagen.«
    »Nein«, versicherte ich ihm. »Ich bin froh, dass du mit ihm gesprochen hast.«
    Bain betrachtete mich mit sorgenvoller Miene. »Bist du sicher, dass du nicht über Nacht hier bleiben willst? Es gibt da ein paar sehr hübsche Schwestern auf der Station.«
    »Die sollte ich mir vielleicht für später aufheben, wenn ich wieder auf dem Posten bin«, erwiderte ich.
    Ich erzählte den Bostoner Polizisten alles, woran ich mich erinnern konnte, was nicht viel war. Selbst die schwarzen Stiefel waren mir für den Moment entfallen, von der seltsamen Bemerkung meines Angreifers ganz zu schweigen. Die Polizei hatte ebenfalls keine Spur. Etwa acht Monate zuvor hatte an der gleichen Stelle ein Raubüberfall stattgefunden, doch daraus ergab sich weder ein plausibles Schema, noch konnte dadurch meine persönliche Überzeugung widerlegt werden, dass Darwin Bishop – natürlich repräsentiert durch einen seiner Schläger – hinter dem Ganzen steckte.
    Ich wartete, bis der Rest des Bluts in meinen Arm gesickert war, schluckte drei Motrin und nahm all meine Kraft zusammen, um mich von der Rolltrage zu hieven und mir ein übergroßes weißes Freizeithemd überzuziehen, das ich mir von Bain geliehen hatte. Ich wappnete mich innerlich für die Aufzugsfahrt hinauf zur Intensivstation, dennoch ließ mich jedes Rucken in kalten Schweiß ausbrechen.
    Als ich hereinkam, saß Julia an Tess’ Bett. Ihr gegenüber, auf der anderen Seite des Betts, saß eine männliche Sitzwache von etwa Mitte zwanzig und las ein Jura-Fachbuch.
    »Was ist passiert?«, fragte Julia. »Du siehst entsetzlich aus.«
    Ich schilderte ihr den Vorfall.
    Sie wurde blass. »Das ist meine Schuld«, sagte sie. »Ich hätte niemals das Risiko eingehen dürfen, in deine Wohnung zu kommen.«
    »Es kann auch ein willkürlicher Überfall gewesen sein«, erwiderte ich wider besseres Wissen.
    »Wir müssen vorsichtiger sein«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich habe befürchtet, dass so etwas passiert.«
    Mich persönlich hatte die ganze Sache weniger geängstigt, sondern eher entschlossener gemacht, was ich vermutlich als Warnsignal hätte nehmen sollen, dass ich die Dinge nicht mehr im richtigen Verhältnis sah. »Ich fahre nachher auf die Insel«, erklärte ich. »Ich muss ein paar Dinge mit North Anderson erledigen.«
    »Wann kommst du wieder zurück?« Tränen sprangen in ihre Augen.
    »In ein, zwei Tagen.«
    »Win fliegt heute her«, sagte sie. »Ich werde ihm sagen, dass ich nicht will, dass er Tess besucht. Wenn er es trotzdem versucht, werde ich bei Gericht einen Antrag auf Kontaktverbot gegen ihn stellen.«
    »Ich kenne jemanden, der dir dabei helfen kann«, sagte ich. »Carl Rossetti, ein Anwalt, mit dem ich befreundet bin.« Ich nahm sie in meine Arme und drückte sie einen Moment lang an mich, während ich versuchte, trotz des Schmerzes normal durchzuatmen, der mich übermannte, wann immer ich meine Hände über Taillenhöhe erhob. »Ich rufe dich an«, presste ich hervor und ließ sie los.
    Sie beugte sich zu mir. »Du weißt, dass ich dich liebe«, sagte sie.
    Diese Worte überraschten mich – nicht, weil ich nicht dasselbe empfand, sondern weil ich nicht daran gewöhnt war, dass irgendjemand mit meinen Emotionen Schritt halten konnte. »Ich liebe dich auch«, sagte ich.
    Ich wollte gerade die Eingangshalle des Krankenhauses verlassen, als Caroline Hallissey, die Assistenzärztin der psychiatrischen Abteilung des Mass General, mich abfing.

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