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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Ich fühlte etwas Warmes, Klebriges, ehe alles schwarz um mich wurde.
    »Frank!«, rief Colin Bain. »Komm schon, Mann, hör auf, mich zu ignorieren.« Ich fühlte, wie Bains Fingerknöchel mein Brustbein bearbeiteten – die Lehrbücher beschreiben es als ein Reiben über das Brustbein, doch in der Praxis ist es ein brutales Scharren, das einen starken Schmerzreiz hervorrufen soll, um die Bewusstlosen aus ihrem Zustand zu rufen und von den Toten zu unterscheiden.
    »Meine Güte! Mir fehlt nichts«, murmelte ich und entwand mich seinen Händen. Ich öffnete die Augen und versuchte, mich aufzusetzen, doch ein stechender Schmerz durchzuckte meinen Rücken und schien mich an den Rippen zurück auf die Matratze zu reißen.
    Bain stand am Bett, musterte mich durch seine Nickelbrille und strich sich sein halblanges rotes Haar aus dem Gesicht. »Willkommen, mein Freund«, sagte er.
    Ich war bis zur Taille nackt. Mein Rumpf steckte in Verbandsmull wie eine zur Hälfte eingewickelte Mumie. »Was zum Teufel ist passiert?«
    »Jemand hat dich in der Gasse neben dem Parkhaus überfallen«, sagte er. »Hat dir ein Messer in den Leib gerammt. Eine Zwölf-Zentimeter-Klinge, soweit ich das beurteilen kann. Zumindest ist die Wunde so tief.« Er lächelte. »Die besten Teile hast du verschlafen. Ich hab die Wunde bereits untersucht, sauber gemacht und zugenäht. Du warst so weggetreten, dass ich nicht einmal Lidocain brauchte.«
    »Der Verstand ist schon was Wunderbares«, scherzte ich. »Danke für deine Hilfe.«
    »Gern geschehen«, erwiderte er.
    »Haben sie den Kerl erwischt?«, wollte ich wissen.
    »Sie haben ihn nicht einmal gesehen«, sagte er. »Nach der Blutmenge zu urteilen, die du verloren hast, haben sie dich erst fünf oder zehn Minuten später gefunden.«
    Ich sah eine Einheit roter Blutkörperchen am Tropfständer hängen, von der aus ein roter Infusionsschlauch zu meinem Arm führte. Ich schüttelte den Kopf.
    »Der Krankenhauswachdienst hat dich für einen betrunkenen Penner gehalten, der in der Gasse ein Nickerchen macht«, erzählte Bain. »Dass deine Jacke blutgetränkt war, haben sie erst gemerkt, als sie dich auf eine Rolltrage gehievt haben, damit du deinen Rausch in der Eingangshalle ausschlafen kannst.« Er zwinkerte mir zu. »Ich habe ihre Namen notiert, falls du dich bei ihnen revanchieren willst.«
    Ich brach in leises Lachen aus, das sich jedoch augenblicklich in ein Röcheln verwandelte, als ein scharfer Schmerz meinen Bauch durchzuckte und zu meiner Kehle hinaufschoss.
    »Es wird ein paar Tage lang ziemlich unbequem sein«, sagte Bain.
    »Unbequem ist ein nettes Wort dafür«, gab ich lachend zurück.
    »Die Kernspintomographie hat gezeigt, dass die Klinge durch den Latissimus und den Obliquus abdominus gegangen ist«, erklärte er. »Ich habe dich mit gut sechzig Stichen wieder zusammengeflickt. Nebenbei bemerkt, die Spitze der Klinge hat nur um Haaresbreite deine Pfortader verfehlt. Wäre die durchtrennt worden, dann wärst du verblutet. Du kannst von Glück reden, dass du noch am Leben bist.«
    »Danke für deine Schonungslosigkeit.«
    »Es wäre keine schlechte Idee, wenn wir dich über Nacht zur Beobachtung hier behalten könnten. Nur um ganz sicherzugehen, dass da drinnen nichts angeritzt wurde, von dem wir nichts wissen.«
    »Kommt nicht in Frage«, sagte ich. »Dafür habe ich keine Zeit.«
    »Du hättest beinahe für immer keine Zeit mehr gehabt«, gab er zurück. »Was machen da schon ein oder zwei Tage aus?«
    Jetzt waren es also schon ein
oder zwei
Tage. »Ich stecke mitten in einem Fall«, erklärte ich. Diese Worte auszusprechen half meinem noch immer benebelten Verstand, die offensichtliche Verbindung zwischen den Bishops und dem Angriff auf mich herzustellen. »Das hier hat wahrscheinlich damit zu tun.«
    »Ein Grund mehr, für vierundzwanzig oder achtundvierzig Stunden abzutauchen, meinst du nicht?«
    »Ich kann nicht«, beharrte ich.
    »Wie du willst«, sagte er. »Ich gebe dir ein Rezept für ein paar Keflex mit. Die sollten eine Infektion verhindern. Und Percocet gegen die Schmerzen. Melde dich, wenn du mehr brauchst.«
    Der Süchtige in mir horchte auf. Drei oder vier Percocet einzuwerfen wäre wie chemische Ferien von dem ganzen Bishop-Schlamassel. Ich ertappte mich tatsächlich dabei, dass ich überlegte, wie viele Wiederholungsrezepte Bain mir wohl ausschreiben würde. Zum Glück wurde mir bewusst, was für eine prächtige Ausrede er mir präsentierte, mich aufzugeben. »Ich

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