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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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Hose gefunden und ihm jeden Morgen in eine freudlos graue geholfen. Daß ihn Butterworth wegen der Reinigungskosten lieber in gedeckten Hemden sah, das war vernünftig gedacht; aber die weiße Hose hatte eigentlich nie Flecken bekommen. Horgan sah sich spielen in ihr. Erst der Stop, dieses Abfangen aller Kraft aus dem Ball, bis auf einen abgezirkelten Rest, der ihn eben noch über das Netz trägt und danach in einen Tropfen verwandelt, vom Gegner mit letztem Einsatz erreicht und unbeholfen retourniert; und jetzt der Lop, elliptisch, bis in Höhe der Herzoginnenloge sein Anstieg, ein weiter Bogen, bevor der Ball genau auf die Grundlinie fällt, von der er gemeinerweise auch noch zur Seite hin wegspringt.
    Horgan spürte seinen Faden, sah ihn auf die Zeitschrift fließen und dachte wieder an Augustin, der ihn noch einmal fortgenommen hatte, ehe er ging. »Du solltest nun sehen«, so der Anfang ihres Gesprächs, »wie du in nächster Zeit Erfahrungen sammelst, die dich ruhiger machen.« Augustin, zuerst etwas sprachlos, hatte dann leise nachgefragt, ob es sich wirklich um mehrere Erfahrungen handle oder vielleicht nur um eine Erfahrung. Die eine? »Ja, die eine«, hatte Horgan erwidert. »Die könnte nicht schaden. Sonst bleibt man ein ewiger Sänger.« Nach diesen Worten hatte Augustin den Faden entfernt und ihn einen lebenslangen Geduldsfaden genannt. »Ein lebenslanger Geduldsfaden? He, wofür hältst du mich?« Wenn er ganz offen sein dürfe, für einen Heiligen, Father. »Für einen Heiligen!« – Horgan hatte in diesem Moment fast mit Zimmerlautstärke gesprochen – »Ich würde dir nichts raten, was ich nicht selbst probiert hätte.« Er habe was? Frauen gehabt? »Kein Plural, mein Junge.« Also eine. Eine Frau. Eine Frau! Und denke er nun ständig an diese Frau zurück? – »Nein«, hatte Horgan geantwortet, »nein, nein, nicht an diese Person, ich entsinne mich nicht; geh jetzt lieber, du verpaßt sonst dein Schiff.« Und der Novize hatte ihm die Hände geküßt und den Rucksack genommen. Horgan blätterte weiter. Der Atem war ihm bei diesem Gespräch ausgegangen; auch der Mut. Er wollte sich nicht unbedingt erinnern. Was käme dabei schon heraus. Da konnte er gleich an Sandkastenspiele zurückdenken, an das Bauen von Tunnels, die doch am Ende immer eingestürzt waren.
    Er hörte Schritte nahen, schlug die Augen auf und blinzelte durch das Gestrüpp seiner Brauen. Horgan sah Arme und Beine, erkannte Kleidung und Hände, Hände, die Geld hielten, Scheine und Münzen. Er sammelte etwas Kraft, genug für einen kurzen Satz, und hauchte dann pro domo. »Ich kann noch dasein und Prinzipien haben, Mister Kurt.«

E ndlich war das Blut gestillt. Die Wunde sah schlimm aus. Zwischen Sägespänen und rohem Fleisch trat zerfetztes Gedärm aus dem Leib; der Tisch, an dem der frühere Priester stand, leuchtete rot. Sein Patient lag in einer Lache, die seit dem Mittag größer und größer geworden war. Ein heldenhafter Patient, denn die Operation geschah ohne Betäubung. Wilhelm Gussmann redete ihm gut zu, während er den offenen Darm noch etwas weiter ans Licht zog. Wie an jedem Sonntag gab er sich seiner dritten und unkompliziertesten Leidenschaft hin, der Chirurgie. Selbstvergessen säuberte und schnitt er einmal in der Woche, tupfte, klammerte und nähte und erlöste auch gelegentlich von Qualen durch eine lange Gnadennadel, wie er sein ungewöhnlichstes Instrument nannte. Er verbat sich jede Einmischung, ließ sich schweigend bestaunen und berechnete die Honorare nach dem Grad der Verletzung.
    Auch an diesem Sonntag herrschte um den früheren Priester eine Stille, als verwandle er noch einmal Brot und Wein. Wilhelm Gussmann operierte ohne Hast. Seine Ruhe übertrug sich auf Opfer und Angehörige. Nachdem er alle Späne aus dem Fleisch gezogen hatte, warf er einem Mann, der neben dem Behandlungstisch stand, ermunternde Blicke zu; die Wunde sah schlimmer aus, als sie war. Seit vielen Jahren wußte Gussmann, daß die Besitzer von Kampfhähnen ebenso litten wie ihre Tiere, wenn sie der scharfe Dorn des Gegners aufgeschlitzt hatte. Bevor er mit dem Flicken des Darms begann, desinfizierte er aus einer kleinen Kanne, als gieße er empfindliche Blumen, während aus der Arena hinter ihm Lärm schlug. Wettgebote wurden zugebrüllt. Also fing bald der nächste Kampf an, also gab es bald das nächste Opfer.
    Alle wertvollen Hähne landeten auf seinem Tisch. Die Besitzer warteten lieber mit ihrem blutüberströmten Tier, als daß

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