Infantizid
menschlichen Augen befassten. Kaum dass er lesen konnte, schenkten sie ihm die ersten medizinischen Bücher zu dem Thema. Er verschlang alles, was mit Bindehaut, Hornhaut, Iris, Pupille, Linse, Zonulafasern, Ziliarkörper, Lid, Lederhaut und Aderhaut zusammenhing. Im Alter von 14 Jahren sezierte er sein erstes Auge. Allerdings gehörte es ursprünglich einem Schwein. Er besorgte es sich, als er in den Ferien in einem Schlachtbetrieb arbeitete. Von dem verdienten Geld kaufte er sich ein kleines, einfaches MiÂkroskop und stellte erste Untersuchungen an. Er wollte die Unterschiede von Schafsaugen, Rinderaugen und Schweineaugen herausfinden. Einmal fand er auf der StraÃe einen überfahrenen Igel. Er drückte dessen Augen mit den bloÃen Fingern heraus und untersuchte sie zu Hause unter seinem Mikroskop. Bernd Zimmermann schloss sein Abitur mit Auszeichnung ab und studierte Medizin. Danach begann er eine Facharztausbildung, natürlich Augenheilkunde. Er wurde Ophthalmologe, Augenarzt, und promovierte zum Doktor der Medizin.
Dr. Bernd Zimmermann war brillant und er war ein Säufer. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann es angefangen hatte. Alkohol war eigentlich schon immer sein Begleiter gewesen. Unmittelbar vor schwierigen Operationen trank er regelmäÃig eine ganze Flasche Wodka. Er versuchte sich einzureden, dass er davon eine ruhige Hand bekam. Natürlich war das Einbildung. Wiederholt hatten sich Kollegen und Schwestern über seine Alkoholfahne beklagt. Aufgrund seiner auÃergewöhnlichen Fähigkeiten belieà man es bei diversen Abmahnungen. Diese verhinderten allerdings auch seinen Aufstieg innerhalb der Klinik, in der er arbeitete. Anstatt das Problem abzustellen oder sich selbst Gedanken über eine Ãnderung seines Verhaltens zu machen, wurde Dr. Bernd Zimmermann immer frustrierter. Also trank er weiter und erhöhte die Menge sogar. Bis zu dem Tag, als er bei einer Operation, wieder mit einer Flasche Schnaps intus, einen schwerwiegenden Fehler beging. Am Ende des über mehrere Stunden andauernden Eingriffs stand fest, dass das operierte Auge nicht mehr zu retten war. So etwas passierte. Tragisch zwar, aber selbst die besten Ãrzte waren auch nur Menschen und leisteten sich Ausrutscher. Wenn nicht zwei, drei Promille Alkoholanteil im Blut festgestellt worden wären, wie bei Dr. Bernd Zimmermann. Es handelte sich bei dem Patienten um einen kleinen Jungen, der nun auf einem Auge völlig blind war. Die Eltern verklagten die Klinik und Zimmermann verlor seine Approbation. Nach unzähligen Bewerbungen und jahrelanger Suche fand er endlich eine Anstellung in einem Pharmaunternehmen. Natürlich wussten alle von seiner Vergangenheit, was ihn zum AuÃenseiter stempelte. Dr. Bernd Zimmermann, der geniale Augenarzt, war jetzt Laborant. Dieser Umstand lieà ihn immer verbitterter werden.
Bis eines Tages dieser Mann auftauchte und ihn um ein Gespräch bat. Das Problem seines Alkoholismus interessierte offenbar nicht im Geringsten. Er wusste, dass er, Dr. Zimmermann, einer der besten Ophthalmologen Deutschlands und aufs Abstellgleis geschoben worden war. Zimmermann konnte Geld gut gebrauchen, denn sein Gehalt lieà keine groÃen Sprünge zu. Er lebte zwar bescheiden, doch um sich sein Genussmittel, auf welches er nicht mehr verzichten wollte, finanzieren zu können, musste er schon öfter in seinen Sparstrumpf greifen. Somit kam ihm dieses Angebot sehr gelegen. Für ein Honorar von insgesamt 50.000 Euro sollte er unter strengster Geheimhaltung ein Präparat entwickeln und herstellen. Die Voraussetzungen dafür waren denkbar günstig.
Es sollte flüssig, geruch- und geschmacklos sein, sich nicht nachweisen lassen und innerhalb von zwei Tagen absolute Blindheit erzeugen. Was dieser geheimnisvolle Mann damit vorhatte, interessierte Dr. Zimmermann nicht. Hier ging es einzig und allein ums Geschäft. Das gewünschte Präparat war nun fertig und stand termingerecht zur Abholung bereit. Der seltsame Mann hatte übrigens auch einen Doktortitel. Es war Dr.  phil. Eckbert Rose.
»So eine ScheiÃe.« Hauptkommissar Bräunig hatte mit den anderen Anwesenden Hubaczeks Bericht verfolgt.
»Wie geht es Leichenkolbe?«
»Der Notarzt sagte, dass sie ihn gleich operieren wollen. Es bestehe aber keine Lebensgefahr. Die Ringfahndung nach dem Fahrzeug mit den Flüchtigen läuft. Zugelassen ist es auf die Firma
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