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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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eingenommen, das allem Anschein nach heute zu einem Seitenflügel des Haupthauses ausgebaut ist. Plätscherndes Wasser aus einem dreistöckigen Springbrunnen erfüllt den Garten mit sanften Geräuschen, doch was mich wirklich in den Bann schlägt, ist das Licht – wunderbares Sonnenlicht, das weich und mit der gleichen perfekten Klarheit durch das Blätterdach fällt, wie ich es bei Marcel de Becques »Schlafenden Frauen« gesehen habe.
    »Er ist wunderschön«, sage ich leise, während ich mich frage, ob meine Schwester vielleicht bewusstlos oder gar tot auf den Terrakottafliesen vor mir gelegen hat.
    »Sie sind jederzeit willkommen. Ich würde mich brennend gern mit Ihnen unterhalten. Rufen Sie mich an, wann immer Sie mögen.«
     Meine zweite Einladung für heute. »Vielleicht tue ich das tatsächlich.«
    Schritte auf der Veranda hinter uns. Kaiser sagt: »Mr Smith, wir wären Ihnen verbunden, wenn Sie Miss Glass’ Anwesenheit in New Orleans für sich behalten würden.«
    »Spielverderber«, entgegnet Smith und zwinkert mir zu. »Das FBI versteht keinen Spaß, was?«
    »Und bitte informieren Sie auch Thalia Laveau nicht über diesen Besuch.«
    Empörung flackert in Smiths Augen auf. »Bitte hören Sie auf, mir in meinem eigenen Haus Befehle zu geben!«
    In der verlegenen Stille, die darauf folgt, möchte ich mit einem Mal weg von hier, weg von diesem Mann, der vielleicht der letzte Mensch ist, der meine Schwester lebend gesehen hat.
    »Wir müssen jetzt wirklich gehen«, sagt Lenz.
    »Keine Ruhepause für das Böse, wie?«, witzelt Smith, dessen gute Laune wie aus heiterem Himmel wiederhergestellt scheint. Er nimmt mich am Arm und führt mich zurück durch das Haus und hinaus auf die Veranda, die zur Esplanade Avenue zeigt.
    »Vergessen Sie nicht«, sagt er, »Sie sind stets willkommen.«
    Ich nicke, doch ich sage nichts, und Smith wendet sich ohne ein Wort zu Kaiser oder Lenz um und geht in sein Haus. Wir bleiben allein auf der kleinen Veranda zurück.
    »So viel also zum Überraschungsmoment«, sagt Kaiser, als wir die befahrene Straße in Richtung Lieferwagen überqueren. »Was war mit diesem Bild von Oscar Wilde?«
    »Wundervolle Arbeit«, sagt Lenz, der mit seinen Gedanken woanders zu sein scheint.
    »Smith erinnert mich an Dorian Gray«, denke ich laut. »Ein wunderschöner amoralischer Mann, der niemals altert.«
    »Wieso amoralisch?«, fragt Kaiser. »Doch wohl nicht, weil er schwul ist?«
    »Nein. Ich spüre etwas bei ihm. Er ist wie de Becque und doch irgendwie anders. An was denken Sie, Doktor?«
    Lenz hat ein eigenartiges Lächeln auf den Lippen. »Wissen Sie, was alle vergessen, die Wildes Dorian Gray gelesen haben?«
    »Was denn?«
    »Er ermordete einen Mann, dann bezahlte er einen Apotheker, damit er zu seinem Haus kam und den Leichnam vernichtete. Der Apotheker benutzte spezielle Substanzen, um den Leichnam zu verbrennen, bis nichts mehr übrig war.«
    »Sie machen Witze«, sagt Kaiser.
    »Ganz und gar nicht. Oscar Wilde war seiner Zeit in vielerlei Hinsicht voraus. Dorian Grays Theorie über Mord lautete: Keine Leiche, kein Beweis, kein Verbrechen.«

16
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    T halia Laveau lebt im ersten Stock einer dreistöckigen viktorianischen Pension in der Nähe der Tulane University. Neun weitere Frauen und zwei Männer leben in diesem Haus, ein Albtraum für das Beschattungsteam des NOPD. Sieben Türen, einundzwanzig Fenster im Erdgeschoss, zwei Feuerleitern. Wir parken draußen vor dem von Studenten dominierten Block und drängen uns in dem FBI-Überwachungswagen wie G-Men in der Ära Edgar J. Hoovers beim Belauschen »externer Agitatoren«.
    »Der Plan sieht vor, dass John die Vernehmung der Laveau leitet«, sagt Baxter und sieht Dr. Lenz an. »Hat jemand Einwände dagegen, bevor wir anfangen?«
    Kaiser und Lenz sehen sich an, doch keiner von beiden sagt etwas.
    »Ich«, melde ich mich zu Wort.
    Alle drei Männer starren mich verwirrt an.
    »Wie meinen Sie das?«, fragt Baxter.
    »Ich will allein zu Thalia Laveau gehen.«
    »Was?« , rufen sie unisono.
    »Sie ist eine Frau, Gentlemen. Vielleicht eine lesbische Frau. Ich kriege doppelt so viel aus ihr heraus wie jeder von Ihnen.«
    »Es geht nicht darum, etwas aus ihr herauszukriegen«, erinnert mich Baxter. »Es geht darum, herauszufinden, ob die Laveau Sie schon einmal gesehen hat – und damit Ihre Schwester. Und da keiner der anderen Sie wiedererkannt hat, mit Ausnahme von Smith, der nicht versucht hat, diese Tatsache zu verbergen – könnte diese

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