Infernal: Thriller (German Edition)
sucht«, sagt sie mit einer Stimme, die bemerkenswert frei ist von Selbstmitleid. »Ich meine, ich weiß, dass er mich mag und alles, aber ... Sie wissen schon.«
»Ich weiß, was Sie meinen. Es ist niemals leicht.«
Wendy zuckt die Schultern. »Das Eigenartige daran ist, ich bin nicht eifersüchtig auf Sie. Wäre es eine andere Frau aus dem Büro, würde ich vor Eifersucht wahrscheinlich platzen.« Sie tritt gegen einen kleinen Stein auf dem Pflaster. »Ich würde mich mit ihr vergleichen und mich dauernd fragen, was sie hat, das ich nicht habe. Aber bei Ihnen ist es etwas anderes.«
Ein Stück vor uns spielt zu unserer Rechten ein Gitarrist auf einer Bank einen Blues. Hinter ihm steht eine Frau und hält einen Schirm, um das Instrument vor dem Regen zu schützen. Eine kleine Menschenmenge lauscht hingerissen.
»Wahrscheinlich nicht so viel anders, wie Sie denken«, antworte ich. »Ich bin auch nur eine Frau.«
»Nein, Sie sind anders. Ich kenne eine Menge Frauen – Karrierefrauen, mit beiden Beinen im Beruf –, die ununterbrochen um Anerkennung kämpfen. Sie achten so sehr darauf, wie sie behandelt werden, dass sie nur siebzig Prozent ihres Gehirns für ihren eigentlichen Job benutzen. Manchmal denke ich, ich bin genauso. Aber Sie machen Ihr Ding, als würden Sie nicht einen Gedanken daran verschwenden. Sie erwarten Anerkennung und Respekt, und Sie erhalten sie, als wäre es das Normalste auf der Welt.«
»Ich bin älter als Sie. Ich habe eine Menge mehr Meilen auf dem Buckel.«
»Das ist es«, sagt Wendy. »Nicht das Alter, sondern die Meilen. Die Tatsache, dass Sie schon überall auf der Welt waren, von Kriegen berichtet haben und alles. Sie waren mitten im Kampfgebiet. Ich habe John oder den Special Agent in Charge noch nie so gesehen wie in Ihrer Gegenwart – wenn sie mit einer Frau zu tun haben, meine ich. Nicht einmal mit den weiblichen höheren Agents.«
»Sie kommen noch dahin. Es ist kein großer Augenblick, den man an einem Ereignis festmachen kann. Eines Tages werden Sie bemerken, dass Sie Teil des Spiels sind und nicht mehr Zuschauer. Sie sind drinnen, und es führt kein Weg zurück, nicht einmal dann, wenn Sie es wollen.«
»Ich kann es kaum erwarten, dass dieser Tag kommt.«
»Sie sollten es nicht so eilig damit haben.«
»Ich muss oft an Robin Ahrens denken. Sie war der erste weibliche FBI-Agent, der in Erfüllung seiner Pflicht gestorben ist. Das war 1958. Sie haben versucht, einen Mann zu verhaften, der einen Geldtransporter gestohlen hat, und die Dinge gerieten außer Kontrolle. Sie wurde von einem Kollegen erschossen, der sie für einen der Bösen hielt.«
»Sie sind gespannt darauf, wie es ist, in eine Schießerei zu geraten, stimmt’s?«
»Ich schätze ja. Ich meine, ich bin schließlich beim SWAT-Team und alles. Man fragt sich immer wieder, wie es in Wirklichkeit ist.«
»Robins Geschichte ist eine Lektion aus dem Lehrbuch. Wenn es zum Kampf kommt, geht vom ersten Schuss an alles drunter und drüber. Jeder Veteran sagt Ihnen das Gleiche. Denken Sie an Ihr Training und versuchen Sie nicht, eine Heldin zu sein. Das ist so ziemlich alles, worauf es ankommt, in einem Satz.«
»Ich will nur meinen Job erledigen«, sagt Wendy. »Nicht irgendwelchen Mist bauen und jemand Unschuldigen verletzen oder töten.«
»Das werden Sie nicht. Ihr Liebesleben ist viel komplizierter, als es Ihr Job jemals sein wird.«
Sie lacht melancholisch. »Wahrscheinlich haben Sie damit sogar Recht. Nun ja, jedenfalls weiß ich genau, warum John sich so zu Ihnen hingezogen fühlt, und es ist in Ordnung. Sie beide müssen sich nicht mehr vor mir verstecken oder sonst etwas.«
Ich frage mich, ob ich jemals die selbstlose Güte aufbringen könnte, die von dieser jungen Frau auszugehen scheint. Wahrscheinlich nicht. Ich lege meine Hand auf ihren Unterarm. »Danke, Wendy. Und falls Sie sich die Frage stellen – nein, ich habe noch nicht mit ihm geschlafen.«
»Das wollte ich nicht wissen«, sagt sie rasch. Dann beißt sie sich auf die Unterlippe. »Oder vielleicht doch. Ein wenig.«
Wir lachen beide, und plötzlich scheint der Tag gar nicht mehr so grau und der Regen nicht mehr so kalt zu sein. Ich winke dem Gitarrenspieler zu, als wir vorübergehen, und dann sind wir im Artillery Park und am Jackson Square. Auf der anderen Seite von Decatour warten die Touristenkutschen, die Pferde pausieren müde im Regen, und ein einzelner Hot-Dog-Verkäufer steht hinter seinem dampfenden Wagen. Auf der St. Ann reihen
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