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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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in der Nähe einer unbewohnten Insel nieder. Ihre Aufgabe heißt Überleben, und sie meistern sie mit Erfolg. Einer der Flüchtlinge findet Getreidekörner in seiner Tasche, und es gelingt ihnen, Getreide anzubauen. Der zweite Flüchtling, ein früherer Ingenieur, plant eine Bewässerung für ihr Feld. Die Geschichte ist eine Fabel für menschliches Selbstvertrauen, und damit ist sie wie für mich geschrieben. Ich habe meine Mutter und meine Zwillingsschwester, doch mein Vater ist nicht da. Nicht tot, aber weg. Er schießt Fotos für Magazine.
    In der »Geheimnisvollen Insel« ist eine Karte. Eine handgezeichnete topografische Karte, und sie zeigt die Insel, wie sie aus der Luft aussehen würde. Den Strand. Die Bucht. Den Vulkan mit seinen versteckten Höhlen. Einen Palmenwald mit schmalen Wasserläufen. Fast kann ich die Männer dort unten sehen, wie sie ihr Bestes geben, um zu überleben, und dabei ihren gesunden Menschenverstand und ihre natürlichen Begabungen einsetzen. Ich fing an, selbst Karten zu zeichnen. Auf den Rändern in meinen Schulbüchern, auf den Rückseiten vervielfältigter Matrizen, die an Thanksgiving ausgegeben wurden, mit dem Pilgervater oder dem Indianer drauf, die wir mit Buntstiften ausmalten, nachdem wir gierig das Lösungsmittel vom noch feuchten Papier geschnüffelt hatten. Wenn wir fertig waren mit dem Ausmalen, sammelten die Lehrer unsere Werke ein und hängten sie in einer langen Reihe über der Tafel auf. Meins bekam nie den Stern für das beste. Es gab immer irgendjemanden, der völlig innerhalb der Linien geblieben war oder eine schicke Schattierung oder sein Bild mit schwarzem Buntstift nachgezogen hatte. Doch ich wusste – selbst wenn die Lehrerin es nicht bemerkte –, dass auf der Rückseite meines Pilgervaters eine ganze Welt lag, eine Insel mit den kleinsten Details, die ein dicker 2B-Bleistift hervorbringen konnte, eine Welt, in der ich die letzten dreißig Minuten verbracht hatte, bevor ich mich hastig daranmachte, den verloren wirkenden Puritaner mit meinen Buntstiften auszukritzeln.
    Ohne Vorwarnung fangen meine Augenlider an zu flattern, und meine Hände verkrampfen sich zu Fäusten. Irgendetwas passiert mit meinen Muskeln. Eine Stimme sagt mir, dass ich die Augen geschlossen halten soll, bis ich mehr über meine Lage weiß, doch der Hunger nach Licht ist einfach zu groß.
    Meine Sicht kehrt in Form wirbelnder Wolken zurück, Fetzen von Weiß auf Grau. Langsam teilt sich der Nebel und enthüllt das Gesicht von Thalia Laveau. Die wunderschöne Sabine-Künstlerin sitzt mir gegenüber, bis zu den Brüsten eingetaucht in ein Becken aus gelblichem Wasser. Ihr Kopf liegt schlaff auf dem Rand aus weißem Email. Ihre Augen sind geschlossen, ihre Haut so bleich, dass sie blau schimmert, und sie ist nackt. Ich bin ebenfalls nackt. Zwischen uns ist nichts außer einer altmodischen Armatur. Wir liegen in einer Badewanne.
    Ich versuche den Kopf zu drehen, doch meine Nackenmuskeln weigern sich, meinem Gehirn zu gehorchen. Ich muss mich mit dem zufrieden geben, was ich aus meiner jetzigen Position erkennen kann. Die Wand mir gegenüber besteht aus Glas. Das Dach ist ebenfalls aus Glas, breiten, glänzenden Dreiecken, die fächerförmig auf einem an einer nackten Ziegelsteinmauer hoch über mir angebrachten Gestell ruhen. Durch das Glas sehe ich den Himmel. Er wird dunkler, die Abenddämmerung hat eingesetzt. Zu meiner Linken, über den schmalen Enden der Dreiecke, ist der Himmel blau. Zu meiner Rechten ist er violett. Ich sehe also nach Norden.
    Ich bewege nur die Augen und folge dem Glasdach bis zum Rand. Anderthalb Meter über dem Boden geht es in eine Ziegelwand über. Ich bin in einer Art Wintergarten. Einem Wintergarten mit einer Badewanne darin. Jenseits der Glaswand stehen Bäume und tropische Pflanzen, dahinter befindet sich eine Mauer. Fast schon bin ich überzeugt, dass ich dies alles nur träume, als ich das Tappen von Schritten höre.
    »Willkommen zurück«, sagt eine männliche Stimme. »Lassen Sie ein wenig heißes Wasser hinzulaufen, wenn Ihnen kalt ist.«
    Die Stimme kommt mir vertraut vor, doch ich kann sie nicht zuordnen. Der Tonfall ist kultiviert wie der von Frank Smith, aber sie klingt tiefer. Mit einer übermenschlichen Anstrengung drehe ich den Kopf nach links und sehe vor mir eine Szenerie, die so bizarr ist, dass es mir den Atem verschlägt.
    Roger Wheaton steht halb hinter einer Staffelei, einen Pinsel in der weiß behandschuhten Hand, und arbeitet fieberhaft

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