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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Kehrtwende und hilft einem Perversen dabei, die Frauen zu vergewaltigen, die er angeblich retten will?«
    Wheatons Kinn bebt.
    »Ich glaube eher, es war Roger, der das kleine Mädchen in Vietnam gerettet ...«
    »Nein!« Eine einzelne, explosive Silbe. »Das war ich!«
    Ich sage nichts. Der trennende Riss, der Wheatons Verstand durchzieht, quält ihn viel stärker, als ich es jemals könnte. Sein Gesicht zuckt, und seine Hände zittern. Schließlich reißt er den Kopf hoch und starrt hinauf in den inzwischen beinahe dunklen Himmel. Dann geht er zu einem Tisch hinter seiner Staffelei, nimmt eine Injektionsspritze auf und kommt damit zu mir. Sein Gesicht ist eine emotionslose Maske.
    Meine neu gewonnene Zuversicht löst sich in nichts auf, und zurück bleibt nur nacktes Entsetzen. Wenn Wheaton mir diese Spritze setzen will, dann bin ich machtlos. Dieser Gedanke weckt Erinnerungen an jene Nacht in Honduras, die Nacht, in der ich meine Unschuld verloren habe und in der ich die schlimmste aller Lektionen gelernt habe, die das Leben lehrt: Du kannst schreien und kämpfen und betteln, dass sie aufhören, dich zu quälen, doch sie hören nicht auf. Du kannst deinen Gott anflehen und deine Mutter und deinen Vater, und sie hören dich nicht, und deine Schreie erwecken kein Mitleid bei denen, die sie verursachen.
    Als Wheaton hinter mich tritt, richten sich meine Nackenhaare in Erwartung des Einstichs auf. Ich nehme all meine Kraft zusammen und drehe den Kopf nach oben und hinten. Er steht neben dem Infusionsgestell und injiziert den Inhalt der Spritze in den Infusionsbeutel. Ich schreie aus Leibeskräften, doch er wirft die leere Spritze achtlos auf den Boden und kehrt zu seiner Leinwand zurück. Mein linker Arm beginnt am Handgelenk zu brennen, und ich weine Tränen der Wut und Hilflosigkeit. Ich atme hechelnd wie eine Ertrinkende, um gegen die Wirkung des unbekannten Gifts anzukämpfen, doch innerhalb weniger Sekunden fallen meine Lider zu, so fest wie Fensterläden, die mit einem Haken zugezogen werden.

26
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    A ls die Welt diesmal zurückkehrt, tut sie es in Form von Sternen an einem schwarzen Nachthimmel, einem ganzen Universum voller Sterne, leicht verschwommen durch das Glasdach, und in Form eines schluchzenden Mannes. Das gequälte Schluchzen klingt so fern wie von einem anderen Planeten. Dem Planeten der Kindheit, vermute ich.
    Ich zittere wieder, was an und für sich nicht schlecht ist. Erst wenn man aufhört zu zittern, steckt man in richtigen Schwierigkeiten. Ich kann Thalia mir gegenüber in der Badewanne kaum sehen, so dunkel ist die Nacht. Doch ich bin dankbar für die Dunkelheit. Ich war an vielen Orten, wo die nächtlichen Sterne mein einziges Licht waren, und ich weiß: Wenn ich den Polarstern und den Horizont erkennen kann, dann kann ich den Breitengrad abschätzen. Nicht genau genug, um beispielsweise ein Schiff zu navigieren – doch genau genug, um einen groben Anhaltspunkt für meine Position zu erhalten. Es ist einer der praktischen Tricks, die mein Vater mir beigebracht hat. Gut für einen Weltreisenden zu wissen, hat er gesagt, insbesondere, wenn man einmal auf einem Schiff oder in einem Flugzeug sitzt, das entführt wird, was ihm einmal passiert ist.
    Ich weiß noch nicht, welcher Stern der Polarstern ist, weil ich weder den großen noch den kleinen Bären sehen kann, die schnellsten Führer zu seiner Position. Vielleicht liegt der Polarstern nicht einmal innerhalb meines Sichtfelds, doch ich blicke nach Norden und bin auf drei Seiten – und über mir – von Glas umgeben, und meine Sicht ist durch Bäume nur wenig behindert. Wenn ich lange genug hinsehen kann – wenn ich lange genug bei Bewusstsein bleibe –, werden sich die Sterne am Himmel bewegen mit Ausnahme des Polarsterns, der über dem Nordpol scheinbar stillsteht. Seine fixe Position hat schon manchen verzweifelten Reisenden geführt, und verzweifelt ist meine Lage ganz gewiss.
    Mein Problem ist der Horizont. Ich kann ihn nicht sehen, wegen der hohen Außenmauern. Kein Grund zur Sorge , sagt mein Vater. Dann benutzt du eben einen künstlichen Horizont. Am besten eignet sich eine kleine Schale mit Quecksilber am Boden . Quecksilber reflektiert das Licht der Sterne bemerkenswert gut; man misst lediglich den Winkel zwischen dem Polarstern und seinem Spiegelbild und teilt das Ergebnis durch zwei. Das heißt, wenn man einen Winkelmesser besitzt, doch den habe ich nicht. In Ermangelung einer Schale mit Quecksilber kann man auch eine

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