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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Wasserfläche verwenden, und die steht mir zur Verfügung. Aber das Glas des Wintergartens verzerrt das Sternenlicht so stark, dass in Verbindung mit der Bewegung des Badewassers durch mein Atmen kein klares Spiegelbild zustande kommt. Auch das ist noch nicht das Ende der Welt , versichert mir mein Vater. Du kannst abschätzen, wo der Horizont liegt ...
    Das gequälte Schluchzen hat aufgehört.
    Ich spüre, dass Wheaton irgendwo auf dem Boden liegt, doch ich kann ihn nicht sehen. Während ich versuche, die Gegenstände rings um mich herum zu erkennen, mache ich eine verblüffende neue Erkenntnis.
    Ich habe meine Muskeln wieder unter Kontrolle.
    Ich lehne mich zurück und blicke hinauf zu der silbernen Stange meines Infusionsgestells. Der Beutel ist leer und flach. Was auch immer meine Muskeln gelähmt hat, es fließt nicht mehr in mich hinein. Doch mein Verstand ist noch nicht klar. Gegen meinen Willen bin ich auf die Sterne und die Frage meiner Position fixiert. Andererseits ist diese Information wichtig. New Orleans liegt ungefähr auf dem dreißigsten Breitengrad. Wenn ich herausfinden kann, dass ich mich in Höhe des dreißigsten Breitengrades befinde, dann kann ich einigermaßen sicher sein, dass ich noch immer in New Orleans bin und dass Wheaton mich nicht zu irgendeinem abgelegenen Ort gebracht hat, genau wie die anderen Opfer und die lebende Skulptur, zu der Thalia geworden ist. Selbstverständlich verrät mir der Polarstern nicht meinen Längengrad; ich könnte mich also auch auf den Bermudas, den Kanarischen Inseln oder sogar in Tibet befinden. Doch die Wahrscheinlichkeit ist denkbar gering. Der dreißigste Breitengrad bedeutet für mich eine reelle Chance, dass ich vom FBI gerettet werde.
    Die Kontrolle meiner Muskeln lässt mich an eine weitere Möglichkeit denken. Die Möglichkeit, mich selbst zu befreien. Nachdem ich die meisten meiner verkrampften Glieder gespannt habe, komme ich zu dem Schluss, dass ich die Badewanne wahrscheinlich aus eigener Kraft verlassen kann. Das Problem ist Wheaton. Er ist ganz in der Nähe, auch wenn ich ihn nicht sehen kann. Ist er nah genug, um meinen Ausbruch aus dem Wintergarten zu verhindern? Bestimmt hat er Vorkehrungen dagegen getroffen. Aber muss ich wirklich ausbrechen, um mich zu retten? Ich hatte Johns Pistole an meiner Wade, als Wheaton mich in der Galerie überwältigt hat. Sie muss irgendwo hier in der Nähe sein. Doch bevor ich danach suche – oder sonst irgendein Risiko eingehe –, muss ich wissen, wie nah Wheaton ist und was er unternimmt, wenn er Geräusche von mir hört. Ich strecke die rechte Hand aus und drehe das heiße Wasser auf.
    Zwanzig oder dreißig Sekunden lang kommt nur kaltes Wasser aus der Leitung. Dann wird es allmählich heiß, und gesegnete Wärme breitet sich um mich herum aus und regt die Durchblutung meiner bereits blau angelaufenen Haut an. So kalt kann das Badewasser gar nicht gewesen sein, sage ich mir. Nicht kälter als die Temperatur der Luft, die Wheaton wegen seiner Hände konstant bei mehr als zwanzig Grad halten muss. Es muss auch nicht so kalt sein , erinnert mich die Stimme meines Vaters. Im Wasser verliert man dreißigmal schneller Körperwärme als in der Luft. Wenn du zu lange im Wasser bleibst, kannst du sterben. Ohne regelmäßigen Nachschub von heißem Wasser wäre Thalia wahrscheinlich bereits an Unterkühlung gestorben.
    Das Wasser läuft weiter, doch Wheaton kommt nicht herbei, um zu sehen, was ich mache. Als es sich dem Rand der Wanne nähert, drehe ich den Wasserhahn zu. Ich will aufstehen, doch ein leichter Nebel von was auch immer mich betäubt hat, hindert mich daran. Ich lehne mich wieder zurück. Schlaf droht mich zu übermannen, doch ich zwinge mich, die Augen offen zu halten und beobachte den sich langsam verändernden Himmel. Das Badewasser kühlt ab, und dann wird es kalt. Während ich zitternd in der Dunkelheit liege, kreist jeder Stern über mir langsam am Himmel. Mit Ausnahme von einem. Hell und strahlend schwebt er unverwandt über den Baumwipfeln.
    Der Polarstern.
    Es dauert nur Sekunden, bis ich den Horizont bestimmt, den Winkel zwischen der imaginären Linie und dem Polarstern berechnet und das Ergebnis von neunzig Grad subtrahiert habe. Das Ergebnis beschleunigt meinen Herzschlag. Dreißig Grad. Ich bin so gut wie sicher noch in New Orleans. Falls John Kaiser intensiv genug nach mir sucht, wird er mich finden. Dieser Gedanke wärmt mich viel stärker, als heißes Wasser es jemals könnte. Und doch

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