Infernal: Thriller (German Edition)
meldet sich in meinem Hinterkopf. Christopher Wingate sieht nicht aus wie ein Mann, dem die Aufmerksamkeit der Polizei willkommen ist. Dennoch hält er mich mit der Behauptung hin, dass er auf ihr Auftauchen warten will. Es wird Zeit, von hier zu verschwinden.
»Wer weiß sonst noch von dieser Angelegenheit?«, fragt Wingate plötzlich. »Mit wem haben Sie sonst noch darüber geredet?«
Ich wünschte, ich hätte die Hand in der Tasche und meine Finger um die chemische Keule geschlungen, doch er beobachtet mich scharf, und der Hammer ist in Griffweite. »Ein paar Leute.«
»Zum Beispiel?«
»Das FBI.«
Wingate beißt sich auf die Unterlippe wie ein Mann, der seine Möglichkeiten abwägt. Dann erscheint ein zögerndes Grinsen auf seinem Gesicht. »Wollen Sie mir vielleicht Angst machen?«
Er nimmt den Klauenhammer auf, und ich zucke zurück. Er lacht über meine Nervosität, dann packt er eine Hand voll Nägel, steckt sich einige davon in den Mund und macht sich daran, das Seitenpaneel wieder auf die Kiste zu nageln wie ein Mann, der alle Vorsichtsmaßnahmen trifft, um seinen Schatz zu behüten.
»Jedes Unglück hat auch sein Gutes, nicht wahr?« Die Nägel zwischen seinen Lippen hindern ihn daran, deutlich zu reden. »Das FBI untersucht die Gemälde in einem Mordfall, und sie kommen weltweit in die Schlagzeilen. Wie der Typ in Spanien, der Frauen ermordet und sie wie in den Bildern von Salvadore Dali arrangiert hat. Das bedeutet jede Menge Geld, Lady.«
»Sie sind tatsächlich ein Bastard, wie?«
»Das ist nicht illegal, oder? Ich werde eine Menge mehr Geld mit diesem Bild verdienen, als ich dachte. Vielleicht das Doppelte.«
»Wie hoch ist Ihre Provision?«, frage ich, wobei ich aus der Reichweite des Hammers trete und mit der Hand in die Tasche greife.
»Das ist nun mal mein Geschäft.«
»Wie hoch ist die Standardprovision?«
»Fünfzig Prozent.«
»Also könnte Ihnen dieses eine Bild hier eine Million Dollar einbringen.«
»Sie sind ein schnelles Köpfchen. Sie sollten für mich arbeiten.«
Die Kiste ist fast verschlossen. Wenn er fertig ist, wird er mir sagen, dass ich gehen soll, um sich anschließend ans Telefon zu hängen und für seinen neu erworbenen Schatz die Werbetrommel zu schlagen.
»Warum verkaufen Sie die Bilder eigentlich in Asien und nicht in Amerika? Haben Sie vielleicht versucht, das Bekanntwerden der Verbindung zwischen den verschwundenen Frauen und den Gemälden hinauszuzögern?«
Er lacht erneut. »Es ist einfach so gekommen. Ein Franzose von den Cayman-Inseln hat die ersten fünf gekauft, ich fand aber heraus, dass er den größten Teil seines Lebens in Vietnam verbracht hat. Als Nächstes kam ein japanischer Sammler in meine Galerie. Ein Malaie. Ein Chinese. Irgendetwas an diesen Bildern spricht die östliche Mentalität an.«
»Und dieses Irgendetwas ist nicht besonders subtil, nicht wahr? Tote, nackte, weiße Frauen?«
Wingate straft mich mit einem abfälligen Blick. »Das ist primitiv und außerdem eine zu starke Vereinfachung.«
»Wohin geht das Gemälde in der Kiste?«
»Zu einem Auktionshaus in Tokio.«
»Warum all diese Mühen, Christopher? Warum keine Auktion hier in New York? Bei Sotheby’s oder wo auch immer?«
Pure Selbstgefälligkeit geht von ihm aus. »Es ist wie bei Brian Epstein und den Beatles. Man ist die Nummer eins in England, aber irgendwann muss man den Sprung nach Amerika machen. Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen.«
Wingates Arroganz löst tief in mir etwas aus, ein Aufwallen von Entrüstung und Zorn, das ich normalerweise unter Kontrolle habe und das dennoch manchmal trotz all meiner Anstrengungen und gegen meine Interessen explodiert.
»Ich habe gelogen, was das FBI angeht«, sage ich kalt. »Ich habe dem FBI noch nichts von diesen Gemälden erzählt. Ich wollte zuerst mit Ihnen reden. Aber da Sie offensichtlich so ein blöder Hund sind und mir nicht im Geringsten behilflich sein wollen, werde ich mit dem FBI reden. Wissen Sie, was dann geschieht? Die Leinwand, die Sie so sehr zu verzücken scheint, wird zum Beweismittel in einem Serienmordfall und beschlagnahmt. Sie werden nicht den Dreck unter dem Nagel damit verdienen, Christopher, weil das Bild unverkäuflich sein wird. Und zwar für eine sehr lange Zeit. Es ist wie mit einem Nachlass, der gerichtlich bestätigt werden muss, nur viel schlimmer.«
Wingate richtet sich mit dem Hammer in der Hand auf und wendet sich zu mir. Er hat noch immer zwei Nägel im Mund; ich
Weitere Kostenlose Bücher