Infernal: Thriller (German Edition)
Wasser hat seine Arbeit getan. Bevor ich weiß, was ich tue, lasse ich los und springe aus der Wanne. Der Infusionsständer kracht zu Boden, und der Katheter reißt aus meinem Handrücken. Warmes Blut strömt aus der Wunde und tropft über meine Finger.
Wheaton richtet sich langsam auf, und im ersten Augenblick sieht es aus, als wäre er von einer Kugel getroffen worden. Doch er hält sich nirgendwo; stattdessen kämpft er verzweifelt mit den durchnässten Handschuhen. Er sieht aus wie jemand, der Verbrennungen hat und versucht, sich geschmolzene Kleidung vom Leib zu reißen. Ein Handschuh fällt auf den nassen Boden, dann der zweite, und dann hält er die gespreizten, zitternden Hände vor das Gesicht und starrt sie ungläubig an. Die Finger sind blau. Kein schönes Blau, sondern das morbide Blau-Schwarz, das absterbendes Gewebe signalisiert. Während ich ihn anstarre, öffnet sich Wheatons Mund zu einem O, und er brüllt vor Schmerzen.
Der Schrei erweckt mich aus meiner Starre. Ich weiche von der Wanne zurück und wende mich zur Tür, die ins Haus führt. Sie scheint ganz nah, doch als ich versuche zu laufen, werden meine Beine weich. Ich muss stehen bleiben, mich bücken, meine Knie halten, um nicht hinzufallen. Panik schnürt mir die Brust zu, hindert mich am Atmen. Ist das vielleicht auch das Insulin?
Ich brauche Zucker . Doch ich versuche nicht, an mein Versteck hinter der Wanne zu kommen. Stattdessen lasse ich mich rückwärts fallen und werfe meine Hand in Richtung der Einkaufstüte. Wheaton stapft auf mich zu. Seine Augen blitzen, doch er sieht nicht aus wie jemand, der eine Bedrohung darstellt. Es ist, als würde man von einem Mann ohne Hände angegriffen. Ich reiße eine Packung auf und stopfe mir Schokobiskuits in den Mund, um sie fast unzerkaut herunterzuschlucken.
Wheaton wendet sich unvermittelt ab und kehrt zur Wanne zurück. Er starrt in das Wasser wie ein Mönch, der eine Reliquie aus einem Feuerkessel holen soll. Die Pistole. Er versucht genügend Mut aufzubringen, um mit den absterbenden Händen erneut in das eisige Nass zu tauchen.
Ich kratze mir mit den Fingernägeln über den linken Unterarm, bis Blut kommt. Der Schmerz schärft vorübergehend meine Sinne, und in diesem kurzen Augenblick der Klarheit zwinge ich mich auf die Beine.
Wheaton beugt sich über die Wanne und taucht einen Arm bis zum Ellbogen ins Wasser. Dann richtet er sich mit der Vehemenz eines Springteufels wieder auf. Die Hand mit der Pistole zittert, als er zu mir herumwirbelt. Er hebt die Waffe, als ich mich mit ausgestreckten Armen auf ihn werfe. Die Pistole geht los, als meine Hände ihn in der Leibesmitte treffen. Er taumelt rückwärts über den Rand der Wanne und kracht in den Spiegel dahinter. Der bricht anderthalb Meter über dem Boden, und die obere Hälfte kommt krachend auf uns herab und zersplittert in tödliche Scherben von Tellergröße. Wheaton fällt der Länge nach in die Wanne, betäubt, doch noch bei Bewusstsein, und kämpft verzweifelt dagegen an, nicht ganz in das eisige Wasser zu tauchen. Als ich mich von ihm lösen will, kommt mit einem Mal neues Leben in seine Augen, und er rammt mir den Lauf der Pistole in den Mund.
»Nicht« , flehe ich und hasse mich selbst dafür. »Bitte nicht.«
Er lächelt merkwürdig bedauernd, dann betätigt er den Abzug.
Ein hohles Klicken ist alles.
Mit wilden Augen reißt er die Pistole zurück, um mich damit zu schlagen, doch dabei rutschen seine Schultern vom Wannenrand ab, und er versinkt im Wasser. Er schreit nicht einmal. Er saugt die Luft förmlich in sich hinein und greift sich mit einer blauen Hand an die Brust, wie um sein eigenes Herz zu massieren. Bevor Erbarmen in mir aufsteigen kann, lege ich beide Hände auf seinen Kopf und drücke ihn hinunter in das eisige Nass.
Er kämpft, doch seine Kraft hat ihn verlassen. Ich will ihn unter Wasser halten, und sei es nur, um seine Qualen zu beenden, doch ich kann mir die Zeit dafür nicht leisten. Der verbliebene Zucker in meinem Blutkreislauf könnte vom Insulin metabolisiert sein, bevor ich auch nur zehn Schritte weit gekommen bin. Wenn das geschieht, verlasse ich dieses Haus mit den Füßen voran und einem Namensschild am großen Zeh.
Ich stemme mich vom Wannenrand hoch und stolpere zu der Tür hinter der Staffelei. Sie führt in einen länglichen Raum mit einem Fernseher, einem Sofa und einem kleinen Tisch mit einem Telefon darauf. Ich stolpere durch das Zimmer und finde mich in einer breiten Eingangshalle
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