Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
nicht leicht erträgt. Vielleicht jedoch ist es für manche Leute gar nicht so schwer. Vielleicht ist es für manche Menschen ein ausgesprochenes Vergnügen – auch wenn sogar ein Nekrophiler nach einer Weile allein vom Gestank vertrieben würde. Oder ist das ebenfalls eine naive Annahme?
    »Wie lange dauert es, so etwas zu malen?«, frage ich Kaiser mit gedämpfter Stimme.
    »Die Experten sagen zwei bis sechs Tage. Ich weiß nicht, worauf sie sich dabei stützen. Gestern Abend habe ich in einem Buch gelesen, dass die Impressionisten meinten, man müsse ein Bild im Verlauf einer einzigen Sitzung anfangen und beenden.«
    »Falls die Frauen tot waren – glauben Sie, dass er sie irgendwie konserviert hat, bevor er mit dem Malen anfing? Einbalsamiert?«
    »Möglich wäre es.«
    Ich mache zwei weitere Aufnahmen vom letzten Bild. »Sehen Sie sich dieses hier an. Was sehen Sie? Ist diese Frau tot oder lebendig?«
    Er tritt näher zu der Leinwand und betrachtet die Frau.
    »Kann ich nicht sagen«, gesteht er schließlich. »Ich erkenne nichts Offensichtliches, das mir sagt, sie ist tot. Ihre Augen sind geschlossen, doch das ist kein Indiz.« Er wendet sich mit nachdenklichem Gesicht zu mir. »Was ich sagen will: Wo ist die Grenze zwischen Schlaf und Tod? Wie weit liegen beide wirklich auseinander?«
    »Fragen Sie die Toten.«
    »Kann ich nicht.«
    »Da haben Sie Ihre Antwort.« Ich setze den Deckel auf das Objektiv der Mamiya und entferne den letzten belichteten Film. »Ich bin fertig. Kommen Sie, ich will mit de Becque reden.«
    Li erscheint lautlos im Durchgang zu meiner Linken, wie eine Eskorte in eine andere Welt.
    Der alte Franzose wartet in dem Raum mit der gläsernen Wand. Er steht mit dem Rücken zu uns, ein Weinglas in der Hand, und beobachtet eine Segelyacht, die in die Karibik ausläuft.
    »Hallo?«, rufe ich ihm zu.
    Er dreht sich langsam um, dann deutet er auf zwei zueinander passende Sofas, die sich vor dem großen Fenster gegenüber stehen. Li schenkt uns Wein ein, danach verschwindet sie. Nicht einmal ihre Schuhe hinterlassen ein Geräusch auf dem Steinboden.
    »Möchten Sie, dass Ihr ›Assistent‹ uns Gesellschaft leistet?«, fragt de Becque mit hochgezogener Augenbraue.
    Ich wende mich zu Kaiser um, der seufzend eingesteht: »Ich bin Special Agent John Kaiser vom FBI.«
    De Becque kommt uns entgegen und schüttelt Kaiser die Hand. »Ist das nicht erleichternd? Täuschung ist eine ermüdende Kunst, und dumme Täuschung ist die ermüdendste von allen. Bitte nehmen Sie Platz.«
    Kaiser und ich nehmen ein Sofa, und de Becque setzt sich uns gegenüber.
    »Warum ich Sie hergebeten habe«, beginnt der Franzose. »Das ist Frage Nummer eins.«
    »Eine gute Frage für den Anfang.«
    »Sie sind hier, weil ich Sie in Fleisch und Blut sehen wollte, wie man so schön sagt. So einfach ist das. Ich kannte Ihren Vater in Vietnam. Als ich hörte, dass Sie an diesem Fall mitarbeiten, unternahm ich Schritte, um Sie kennen zu lernen.«
    »Woher wussten Sie, dass Miss Glass uns unterstützt?«, fragt Kaiser.
    De Becque macht mit geöffneten Händen eine sehr französische Geste, die ich als Manche Dinge müssen wir ohne Erklärung akzeptieren übersetze. Kaiser schmeckt das nicht, doch er kann nichts daran ändern.
    »Wie haben Sie meinen Vater kennen gelernt?«
    »Ich sammle Kunst, und ich betrachte Fotografie als eine Form von Kunst. Zumindest dann, wenn sie von gewissen Leuten stammt. Ich besaß eine Teeplantage in einem strategischen Teil Vietnams. Es war eine ausgezeichnete Basis für diejenigen Journalisten, denen ich Zutritt gewährte. Meine Tafel war im gesamten Land berühmt, und ich liebe gute Konversation.«
    »Und Zugang zu Informationen?«, erkundigt sich Kaiser unverblümt.
    De Becque zuckt die Schultern. »Information ist eine Ware, Agent Kaiser, wie jede andere auch. Und ich bin Geschäftsmann.«
    »Was wissen Sie über den Tod meines Vaters?«
    »Ich bin offen gestanden gar nicht sicher, ob er starb, wo und wann die Welt es glaubt.«
    Da ist es. Ausgesprochen von einem Mann, der in der Position war, mehr zu wissen.
    »Wie könnte er überlebt haben?«
    »Erstens verschwand er an einem sehr peinlichen Ort. Peinlich für die amerikanische Regierung, heißt das. Zweitens haben zwar alle Roten Khmer jeden Journalisten umgebracht, der ihnen über den Weg lief, doch das gilt nicht für alle Kambodschaner. Ich glaube, dass Jonathan angeschossen wurde, zweifellos, doch er könnte wieder gesund gepflegt worden sein.

Weitere Kostenlose Bücher