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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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so mit sich im Reinen. Bitte, lieber Gott, lass das hier funktionieren .
    Bisher schien es so.
    Cassie hatte gute und schlechte Tage, aber in den letzten paar Wochen schien sie sich wirklich an die drastische Veränderung gewöhnt zu haben. Bill gab sich selbst die Schuld an Lissas Tod; wäre er öfter abends zu Hause gewesen, wäre er ein richtiger Vater für die Kinder gewesen, die er in die Welt gesetzt hatte, dann wäre all das nicht passiert. Er hätte noch eine Frau, er hätte noch eine intakte Familie. Nun war es zu spät, doch er musste den Schaden an Cassie wieder gutmachen, den Schaden, den seine eigene Nachlässigkeit verursacht hatte.
    Er drückte die halb gerauchte Zigarette an einem steinernen Pfosten aus. Hinter ihm spie eine weiß gebleichte, nackte griechische Götterstatue Wasser. Die körperlichen Merkmale der Statue waren ein wenig zu explizit, um noch klassisch oder geschmackvoll zu sein. Brüste mit riesigen Brustwarzen ragten heraus wie auf einem anzüglichen Witzbild. Die Beine waren nicht eng genug verschränkt, um die Details des Unterleibs der Fantasie zu überlassen. Die Figur projizierte primitive Bedürfnisse nach Sex, etwas, was er selbst lange nicht erlebt hatte.
    Du lieber Himmel, ich fühle mich von einer Statue angemacht .
    Nach der Scheidung hatte er herausgefunden, dass seine Frau ihn seit über einem Jahr betrog, doch um ehrlich zu sein, hatte er das schon viel länger getan, und viel aggressiver. Teure Edelhuren und Partygirls. Manchmal waren es sogar Kolleginnen oder Praktikantinnen gewesen, Mädchen im Alter seiner Töchter. Ich habe nur bekommen, was ich verdiene , dachte er niedergeschlagen. Ein Mädchen war von ihm schwanger geworden, und er wusste, dass die von ihr geforderten 50.000 Dollar weit mehr bezahlen sollten als nur eine Abtreibung.
    Jesus .
    Doch inzwischen war Bill fünfzig. Seine wilden Jahre waren vorbei, und das war auch gut so. Es war höchste Zeit, endlich Verantwortung zu übernehmen. Erfolg schien dieser Tage gleichbedeutend zu sein mit schicken Cocktailpartys voller Millionäre und Mädchen vom Begleitservice auf Firmenkosten. So sollten Menschen ihr Leben nicht führen.
    Durch die Terrassentür konnte er Mrs Conner beim Staubsaugen zusehen.
    Sie ist älter als ich, aber – meine Güte – was für ein Körper.
    Schon wieder. Jetzt bin ich schon scharf auf die Haushaltshilfe . Der Gedanke war noch niederschmetternder. Auf der einen Seite eine ehrlich, hart arbeitende Frau, die niemals etwas besessen hatte und deren Leben von Armut und Unglück geprägt war, und auf der anderen Seite er, Bill, der sie schon wieder ausnutzte, wenn auch nur in Gedanken. Du bist wirklich ein Prachtexemplar von einem Mann, Heydon , sagte er zu sich selbst. Was die Sache noch schlimmer machte, war, dass Mrs Conner – seit Jahren verwitwet – sich ganz eindeutig ebenfalls für ihn interessierte. Aber aus irgendeinem Grund bezweifle ich, dass es an meinem guten Aussehen liegt .
    »Tag auch, Mr Heydon.« Jervis, Mrs Conners Sohn, kam gerade um die Ecke. Nicht gerade eine Leuchte, dachte Bill, aber er gibt sich Mühe .
    »Ich wäre dann mit dem Rasenmähen fertig«, sagte der junge Mann und kratzte sich am Bauch. »Der Weg vor dem Haus ist gefegt, die Anwaltsbücher sind alle im Keller verstaut, und die undichten Leitungen im zweiten Stock sind auch abgedichtet.«
    »Das ist toll, Jervis«, sagte Bill. Er hatte sich gerade eine neue Zigarette anzünden wollen, überlegte es sich aber anders. Stattdessen zog er seine Brieftasche heraus. »Wie war das noch, zwanzig Dollar die Stunde, richtig?«
    »Ja, Sir.«
    Bill gab ihm zwei Hundertdollarscheine. »Stimmt so.«
    Jervis grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Vielen Dank auch, Sir!«
    »Kommen Sie bitte übermorgen wieder. Ich glaube, dann müssen wir die Hecken mal trimmen. Und ich hätte auch sonst noch ausreichend Arbeit für Sie, wenn Sie Zeit und Lust haben.«
    »Klar, mach ich, Mr Heydon. Sie sind der beste Boss, wo ich je hatte.«
    »Ach, und Jervis …«
    »Keine Sorge, ich erzähl Cassie nicht, dass Sie geraucht haben.«
    Bill nickte verlegen. »Danke, Jervis.«
    »Schönen Abend noch, Sir! Ich warte dann vor dem Haus. Meine Ma ist sicher auch gleich fertig.«
    Bill sah ihm hinterher, als er mit weit ausholenden Schritten wegging. Er fragte sich, wie das wohl für ihn und seine Mutter war. Keine Industrie, keine anständigen Jobs, nur ein Wohnwagen und ein dreißig Jahre alter Schrotthaufen von einem Auto. Er bezweifelte,

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