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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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für den Rest deines Lebens an der Nadel – und hier heißt das bis in alle Ewigkeit. Zap-Junkies bedeuten ein Riesengeschäft für die Rauchwahrsager, weil sie systematisch Teile ihres eigenen Körpers amputieren, um Geld für Zap zu beschaffen.«
    »Nur ein hundertstel Prozent der User kommt jemals wieder von dem Zeug los. Wenn ein ehemaliger Süchtiger clean erwischt wird, bringt man ihn sofort in eine Vergiftungsklinik.« Xeke deutete auf ein offiziell wirkendes Poster, das in einem Fenster hing.
    TRAGEN SIE IHREN TEIL BEI! HELFEN SIE, DAS ELEND AUFRECHTZUERHALTEN. Ein unscharfes Foto zeigte mehrere Zap-Süchtige, die sich lange Spritzen durch die Nasenlöcher steckten. UNTERSTÜTZEN SIE IHREN HEIMISCHEN DROGENDEALER!
    Noch mehr Tragödien. Das Schlimmste aus Cassies eigener Welt schien sich auch hier widerzuspiegeln. Oder vielleicht war es keine Spiegelung, sondern eine Quelle. Bevor sie an diesen Ort gekommen war, hatte sie immer gedacht, »böse« sei nur ein Wort, eine Entschuldigung der Gutgläubigen für das Unglück anderer. Doch nun konnte sie sehen, dass es etwas grundlegend Böses gab, einen groß angelegten Plan, um Gott zu beleidigen.
    Das war der einzige Zweck, den dieser Ort erfüllte.
    Und nun wusste sie auch, woher das Böse in ihrer eigenen Welt wirklich kam.
    Wieder auf den Straßen schien sich das karmesinrote Zwielicht weiter zu verdunkeln, als merkwürdige gelbe Wolken sich über ihre Köpfe schoben. Die strahlende Helligkeit der Straßenlaternen und die Myriaden erleuchteter Fenster wurden dadurch vervielfacht. Wie in jeder anderen Stadt sah Cassie Stromkabel an hohen Pfosten hängen, nur dass diese hier viel dicker waren. Einen Häuserblock weiter diente ein Pfosten als eine Art Kreuzung; eine Reihe von Kabeln führte von da aus in ein großes Betongebäude, auf dessen Dach eine flackernde Neonpyramide thronte. »Was ist das?«, wollte Cassie wissen. Sie hörte ein schweres, vielstimmiges Summen.
    »Das ist ein Bezirkstrafo«, antwortete Xeke.
    Und Via ergänzte: »Es gibt hier keine Elektrizität – wir haben hier Agonizität .«
    »Agon-«
    »Komm, ich zeig es dir. Wir können durch die Belüftungsventile schauen.« Xeke führte sie zu dem seltsamen pyramidalen Bau. Das Summen wurde lauter, als sie näher kamen, und man konnte immer wieder ein Knistern wahrnehmen. Dann tauchte ein Schild auf:
    STÄDTISCHES KRAFTWERK
# 66.031
(BONIFACE-BEZIRK)

    »Sie sind sehr effizient«, fuhr Xeke fort. »Luzifer hat förmlich gejubelt, als seine Bio-Zauberer diese Technologie erfunden haben.«
    Agonizität? Cassie dachte über das befremdliche Wort nach.
    »Es gibt in jedem Stadtbezirk eins, und man braucht nur eine einzige Anlage, um ein gesamtes Stadtviertel mit Strom zu versorgen.« Xeke blieb direkt vor einer graubraunen Steinmauer stehen. Lamellen aus Metall hingen vor den Belüftungsventilen, und Cassie konnte spüren, wie die Hitze in Böen entwich. »Und eine einzige Person kann eine ganze Anlage betreiben.«
    Cassie war verblüfft. »Nur ein einziger Angestellter betreibt die ganze Anlage?«
    »Nein, nein. Ich meine nicht das Wartungspersonal. Ein Opfer .«
    Opfer ? Cassie begriff nicht ganz.
    Bis sie durch das Ventil blickte.
    Als Xeke die Metalllamellen mit einem Finger auseinander bog, mischte sich noch ein weiteres Geräusch in das gleichmäßige Summen: Schreie.
    Durch den Schlitz sah sie etwas, das ebenso grauenvoll wie makaber war. Riesige, an die drei Meter hohe Kondensatoren bildeten die Pfeiler eines gemauerten Raums. Eine Gestalt im dunklen Kapuzenmantel stand am Rand, als führe sie die Aufsicht, und in der Mitte des Raumes stand eine schlichte Steinsäule.
    An die Säule gefesselt war ein nackter menschlicher Mann.
    Aus einem dampfenden Kessel neben der Säule schöpften zwei uniformierte Dämonen abwechselnd kochendes Wasser, das sie dem nackten Mann auf die Haut spritzten, wobei verständlicherweise jeder Spritzer den Mann dazu veranlasste, zu schreien und sich unter Schmerzen zu winden.
    »Wer braucht schon Turbinen und Dämme und Atomkraftwerke«, verkündete Xeke, »wenn das Gehirn eines einzigen Menschen eine unvorstellbar große Menge wandelbarer Energie generieren kann? Siehst du die Verkabelung?«
    Cassie blinzelte und sah genauer hin. Das Hirn des Mannes war freigelegt worden, und darüber war eine Apparatur aus schmalen Kathodenröhren und Drähten angebracht, wobei die Drähte tief in die Gehirnmasse gesteckt waren.
    »Das siedend heiße Wasser reizt die

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