Inferno - Höllensturz
dem Kaffeebecher getrunken hatte, bevor das Verbrechen angezeigt worden war. Was Penelope betraf, hatte das Arbeitsamt ihr diesen Job besorgt, nachdem sie jahrelang von der Sozialhilfe gelebt hatte. Jetzt war sie Nachtwächterin.
Nun sah Gary sich um, die Kaffeetasse in der Hand. Er blickte den Flur hinunter, dann aus dem Fenster in die Nacht hinaus. »Das ist echt ein komischer Arbeitsplatz, den du da hast«, bemerkte er.
Das hatte er schon öfter gesagt, doch Penelope wusste nie, was er meinte. Das kleine Backsteingebäude am Ende der Soil Conservation Road – die Halman-Landkartenbibliothek – war eine Einrichtung des Innenministeriums von Maryland, nichts Weltbewegendes. Sie stand etwas isoliert auf einem kleinen Hügel ganz in der Nähe des Baltimore-Washington Parkway. Das Gelände um das Haus herum war größtenteils ein Natur- und Tierschutzgebiet, was Penelope noch nie verstanden hatte. Sie konnte keine Tiere entdecken, Wald gab es auch nicht, nur offenes, hügeliges Land. Zudem konnte sie nicht recht verstehen, warum man an einem solchen Ort überhaupt Wachpersonal brauchte – wer würde schon Landkarten stehlen wollen? -, doch sie brauchte den Job.
Schließlich fühlte sie sich in der Lage, sich auf dem Schreibtisch aufzusetzen, immer noch selig erschöpft. »Was ist so komisch?«, fragte sie, während sie seinen Hintern in der Jeans beäugte. Wenn sie auch eigentlich weniger an seinem Hintern als vielmehr an dem orangefarbenen Noppenvibrator interessiert war, der aus der Gesäßtasche hervorlugte. »Ist doch nur ein Job, nur ein Haus, das bewacht werden muss.«
»Eine verdammte Landkartenbibliothek? Was soll denn das bitte sein? Von so was hab ich noch nie gehört.«
»Na, die heben hier eben Landkarten auf. Für die Regierung. Vermessungspläne, Karten von Abwasserkanälen und Gasleitungen und so’n Zeug.«
Gary war immer noch befremdet. »Für mich klingt das wie totaler Quatsch. Heutzutage haben die das doch alles im Computer. Und wer soll überhaupt einen Haufen alter Landkarten klauen? Und selbst wenn, was willst du dagegen machen? Du hast ja noch nicht mal’ne Kanone.«
Das stimmte. Die Firma, für die sie arbeitete, besaß keine Lizenz zur Bewaffnung ihrer Angestellten. Sie fühlte sich hier allerdings nie bedroht. Hier geschah ja nie etwas. Doch sie verstand, was er meinte. Was, wenn doch mal was passierte? Dann gab sie zurück: »Die anderen Wachen haben Kanonen.«
»Welche anderen Wachen?«
»Die unten im Keller.«
»Aber ich dachte, deine Firma gibt keine Waffenscheine aus?«
»Die Wachleute unten arbeiten für eine andere Firma«, erklärte Penelope.
»Eine andere Firma? Du meinst, eine andere Sicherheitsfirma?« Garys ohnehin schon verwirrter Gesichtsausdruck verdunkelte sich noch weiter. Er hatte einen Schnurrbart und kurze, stoppelige schwarze Haare. Sein Gesicht zierten Aknenarben aus Teenagertagen. »Das ist doch ein staatliches Gebäude, oder?«
Penelope nickte, immer noch nackt auf dem Schreibtisch sitzend. Sie wollte eigentlich im Moment gar nicht über ihre Arbeit sprechen, auch nicht über Landkarten. Lieber über … vielleicht ein bisschen mehr Action mit Mr Bumpy?
»Warum haben die dann kein staatliches Wachpersonal?«
Sie kapierte einfach nicht, warum er plötzlich so wissbegierig war. »Gary, ich habe keine Ahnung.«
»Verflucht, wenn einer von den Typen hier hoch kommt und mich sieht, wirst du gefeuert.«
»Die schließen sich immer für die gesamte Schicht unten ein. Sie sind zu viert, und sie kommen nie hier hoch, außer zum Schichtwechsel. Das ist erst um acht Uhr morgens. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die da unten gar nichts machen, außer zu pennen.«
Gary bemerkte die Schließfächer an der Seitenwand und machte sofort eines auf.
»Gary, lass die Finger davon!«
»Ich guck doch bloß mal.« Hemden, eine Sporttasche, ein paar Bücher. Auf den Ärmeln der Hemden waren Aufnäher: AHRENS SECURITY. Er runzelte die Stirn, als er die Titel der Bücher las. Hinter den Mauern des Vatikan , und Opus Dei und andere geheime katholische Sekten . »Was zum Teufel ist das denn?«, polterte er sofort los. »Kirchenbücher? Wachleute lesen doch keine Kirchenbücher, die lesen Playboy und Penthouse !«
Penelope hatte keinen blassen Schimmer, wovon er sprach. Konnte sie denn nichts unternehmen, um ihn von den anderen Wachleuten im Haus abzulenken?
»Liebling?«, rief sie. Als er sich zu ihr umdrehte, streckte sie ihren Fuß aus und glitt damit die Innenseite
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