Infinity (German Edition)
Wenn unser Informant nicht völlig irre ist, muss das ja einen Sinn ergeben.«
»Pass auf dich auf.« Sie klang schon wie ihre Mutter! Rasch beugte sie sich vor und griff mit beiden Händen nach der Jumbo-Tasse.
_ 23 _
»Wenn ihr die Geltaschen mit der DNA-Probe beladet, müsst ihr die Pipette ganz ruhig halten und nicht zu tief einführen. Die Pipettenspitze darf die Gelwand nicht durchstoßen, sonst klappt die Elektroforese nicht.« Amanns Ton klang noch durchdringender als sonst.
Klaras Hand zitterte. Sie setzte ein zweites Mal an. Den Daumen einen Millimeter über dem Kolben, senkte sie die Pipette in die durchsichtige Vertiefung. Das Handy in der Gesäßtasche ihrer Jeans gab ein schnarrendes Geräusch von sich. Klara zuckte zusammen. Die Spitze durchstach die durchsichtige Masse und die violett gefärbte Flüssigkeit verteilte sich unterhalb der Ausbuchtung über den gesamten Bereich der vorbereiteten Elektroforese-Kammer.
Klara brach der Schweiß aus allen Poren. Die Arbeit von zwei Stunden war mit einer winzigen Unachtsamkeit zunichtegemacht. Wie gelähmt stand sie vor dem Labortisch und starrte auf den lila Fleck, der sich immer weiter unter dem Gel ausbreitete.
»Na bravo!« Herrn Amanns Gesicht war dunkelrot angelaufen. Mit in die Hüften gestemmten Fäusten baute er sich vor Klara auf. »In einem medizinischen Labor wäre so eine Schlamperei ein Kündigungsgrund. Weißt du, welchen Schaden es anrichten kann, wenn ein Laborant seine Arbeit nicht mit vollster Aufmerksamkeit erledigt?«
Klara zog den Kopf zwischen die Schultern. »Ich bleib nachher da und mache es noch einmal«, stotterte sie.
»Ach, und du denkst, damit ist alles wieder in Ordnung? So einfach ist das aber nicht, mein Fräulein! Angenommen, das da wäre jetzt nicht deine eigene DNA-Probe gewesen, sondern ein unwiederbringliches Beweisstück von einem Tatort. Denkst du, da könntest du auch hergehen und den verpfuschten Test einfach so wiederholen?«
Klara biss sich auf die Lippen. Das Donnerwetter rauschte weiter über sie hinweg.
»Oder stell dir vor, du bist in einem Forschungslabor angestellt und sollst – Gott behüte! – ein verändertes Gen in eine DNA-Kette einsetzen.«
Eine Genmanipulation …
Gedankenfetzen blitzten auf, doch Amanns Schimpforgie fegte ihn wieder hinweg.
»Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn du mit deinem Hirn bei irgendwelchen SMS-Nachrichten bist, statt dich auf so eine heikle Arbeit zu konzentrieren? Ein Fehler kann in so einem Fall über Leben und Tod entscheiden! Willst du für ein solchermaßen geschädigtes Wesen die Verantwortung übernehmen?«
Sie spürte, wie er sie anstarrte. Jetzt nur keine Anzeichen von Widerspruch erwecken. Ein kleines Rinnsal aus Schweiß bahnte sich seinen Weg über ihren Rücken. Unter den Achseln und im Nacken klebte das T-Shirt bereits auf ihrer Haut.
Endlich schien der Lehrer keine Lust mehr zu haben, sie weiter anzuschreien. So still war es beim Laborunterricht das letzte Mal gewesen, als sie einen Film über Gendefekte in der Natur und ihre Auswirkungen gesehen hatten. Die Bilder von verkrüppelten Kindern mit deformierten Körperteilen oder geistigen Behinderungen waren dank der Visionen, die Herr Amann als mögliche Folge von Klaras Unachtsamkeit heraufbeschworen hatte, wieder vor ihren Augen. Alle beendeten schweigend ihren Test und es gab nicht einmal ein großes Gelächter, als sich herausstellte, dass ausgerechnet die stille Anna der Täter sein sollte, dessen DNA sie vorher aus ihren Proben gezogen hatten.
»Kann ich dir helfen?« Rudi schob ihr sein Heft hin und nickte ihr auffordernd zu. »Ich habe alles genau mitgeschrieben. Vielleicht kannst du es ja brauchen.« Die anderen waren bereits aus dem Schullabor geströmt und ihr Pausengeschwätz drang gedämpft zu ihnen in den leeren Kellerraum.
Klara hatte ein Wattestäbchen im Mund. »Danke«, nuschelte sie und schabte weiter an der Innenseite ihrer Wange.
Er verharrte einen Moment, bevor er sich zum Ausgang hin bewegte. Auf der Schwelle hielt er an. »Tut mir echt leid, dass dich der Amann vorhin so niedergemacht hat.«
Klara stopfte das Wattestäbchen in einen kleinen Becher mit Lösungspuffer. »Ich hab einen Fehler gemacht. Er hatte recht, mich deswegen zur Rede zu stellen.« Es surrte leise. Über das blaue Schüttelgerät hinweg warf sie Rudi einen Blick zu. Er stand immer noch in der Tür, die Hände in den Hosentaschen.
»Weißt du was Neues von Jonas?« Er scharrte mit einem Fuß
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