Infinity (German Edition)
über den Plastikboden und fixierte dabei seine Schuhspitze.
Klara ließ das Röhrchen sinken, das sie eben in die Zentrifuge stellen wollte. »Leider nein. Und du? Wie geht es dir?«
Rudi zuckte mit den Achseln. »Auf jeden Fall besser als dem Jungen, den Jonas … sich zur Brust genommen hat.«
Klara zuckte zusammen. »Weißt du, was mit ihm ist?«
»Genaueres weiß ich nicht. Nur, dass er inzwischen außer Lebensgefahr ist.«
Klara stieß die Luft aus. »Gott sei Dank. Das hört sich doch nicht ganz hoffnungslos an.«
»Ich wüsste trotzdem gerne, was in Jonas gefahren ist.« Rudi widmete sich wieder seinen Fußbewegungen. »Weißt du, Klara, das klingt jetzt vielleicht total paranoid, aber ich habe schreckliche Angst. Manchmal wache ich mit Herzrasen auf, weil ich von der Schlägerei geträumt habe. Ich fürchte mich davor, am Abend fortzugehen. Woher soll ich wissen, ob nicht plötzlich wieder jemand einen Anfall kriegt? Wenn es jetzt sogar hier in der Schule schon zu so schlimmen Schlägereien gekommen ist?«
Klara nahm sich den nächsten Aufgabenschritt vor. Sie spritzte eine durchsichtige Flüssigkeit in ihr Glasröhrchen und steckte es wieder in die Zentrifuge. Während sie wartete, lehnte sie sich gegen die Tischkante. »Ich versteh dich. Mich macht das alles auch ganz verrückt.«
Alens Besuch in Gugging fiel ihr wieder ein. Sie hätte gerne nachgeschaut, ob die Nachricht, der sie den Anschiss zu verdanken hatte, von ihm gekommen war.
»Danke, dass du mir helfen wolltest. Aber du musst deine Pause wirklich nicht mit mir in diesem muffigen Keller verbringen.« Sie hob die Mundwinkel und hoffte, es würde wie ein freundliches Lächeln aussehen.
Als Rudi sich zögernd vom Türrahmen abstieß, streckte sie ihm den erhobenen Daumen entgegen. »Ich krieg das schon hin«, sagte sie und bemühte sich um einen munteren Ton. »Ich hab ja jetzt deine perfekte Mitschrift.« Sie hielt bestätigend das Heft hoch. »Wenn ich fertig bin, vergleichen wir unsere DNA-Profile. Wer weiß, welche Geheimnisse in den Banden-Mustern versteckt sind?« Sie lachte, obwohl ihr die Idee plötzlich gar nicht so abwegig vorkam.
Kaum war Rudi aus ihrem Blickfeld verschwunden, holte sie das Handy aus der Hosentasche.
Alen. Wie erwartet. Sie überlegte, ob sie sich bei ihm beschweren sollte, dass seine SMS sie ständig in unerfreuliche Situationen brachte. Doch Alens Nachricht ließ keinen Raum für weitere Gedanken.
»Schau – und staune!« Mehr stand da nicht. Aber kaum hatte sie die MMS geöffnet, vergaß sie zu atmen.
Eine bunte Welt tat sich vor ihren Augen auf. Und sie erkannte jeden einzelnen Pinselstrich. Jedes Wesen, jede Blume, jeden Baum. Die herrlichen Landschaften. Die leuchtenden Farben. Sie hatte das alles schon zigfach gesehen. Gerade erst in den letzten Zeichenstunden hatte sie versucht, diese Zauberwelt in ihren Malereien einzufangen. Auf jedem einzelnen Bild waren Details aus ihren Träumen!
Vor ihr lag die Welt, in die sie seit ihrer Kindheit immer wieder eintauchte.
Sie klickte von einem Bild zum nächsten. Ihr Puls raste. Das Blut pochte gegen ihre Schläfen. Dann sog sie die Luft ein. Dieses kuschelige Tier mit den kugelrunden Knopfaugen! Erst vor ein paar Tagen hatte sie die Finger danach ausgestreckt und es im Traum berühren wollen. Wie kam Alen zu diesen Bildern? Wo hatte er sie fotografiert?
»Gugging ist wirklich eine Reise wert! Das Museum ist echt irre.«
Auch Alens abschließende Worte stürzten Klara in heillose Verwirrung. Ihr Kopf hämmerte. Was für ein Museum? Der anonyme Schreiber hatte doch von einer Eliteuniversität gesprochen. War Alen überhaupt am richtigen Ort gewesen? Mit fliegenden Fingern tippte sie seine Nummer ein. Sie wartete kaum ab, bis er sich gemeldet hatte. »Wo warst du? Woher stammen diese Bilder? Und was hat das mit der Uni zu tun?«
Atemlos lauschte sie seiner Schilderung, wie er auf dem Campus das Haus der Künstler entdeckt hatte, als er über die Baustelle gestapft war, die er an der angegebenen Adresse vorgefunden hatte. »Das neue Institut befindet sich nämlich auf dem Gelände der ehemaligen Nervenheilanstalt, die du mit Gugging assoziiert hattest. Inzwischen ist die Klinik zwar nach Tulln verlegt worden, das Museum ist aber an seinem ursprünglichen Standort geblieben. Was mich nicht wundert. Wie du siehst, sind ja sogar die Hausmauern echte Kunstwerke. Das zu übersiedeln, wäre so unmöglich wie unnötig gewesen.«
Klara runzelte die Stirn. »Was hat
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