Initiation
können vorbei. Hoffentlich schnappen die Kameras so nur unsere undeutlichen Silhouetten auf. Es sei denn, sie sind so eingestellt, dass sie sich der Geschwindigkeit anpassen.
»Einfach losstürmen und das Beste hoffen? Hört sich nach einem Plan an, irgendwie.« Ich nickte. »Wir können eigentlich gleich los, oder?«
»Ja. Was hast du mit Faustine gemacht?«, fragte Quinn.
»Sie übernachtet bei Martha. Ihr geht es gut.«
»Martha? Das Mädel vom Mittagessen? Woher kommt die? Texas?«, fragte Jagger kichernd.
»Ja. Sie kommt aus Dallas. Sie ist die Tochter der Königin von Dallas. Eine ziemliche Marke.« Ich lächelte.
»Im Ernst. Der arme Ryker hatte keine Chance.«
»Ryker… erzähl uns von ihm«
Jagger warf Quinn einen kurzen Blick zu. »Später. Ziehen wir erstmal unsere Show durch.«
Wir zogen uns wieder von Kopf bis Fuß schwarz an und vermummten unsere Gesichter mit Sturmhauben. Jagger hatte es geschafft, Nachtsichtbrillen für uns zu mopsen, die wir unter unseren Sturmhauben trugen.
»Nicht sprechen«, erinnerte uns Jagger. Obwohl wir ziemlich gut verkleidet waren, unsere Stimmen waren leicht wiederzuerkennen.
Wir krochen auf allen Vieren über den Flur und hielten unsere Körper so tief wie möglich am Boden. Es war schon nach Sperrstunde, also waren die Flure leer und merkwürdig still, abgesehen vom leisen Summen der Kameras. Ich konnte spüren, dass sie uns folgten, verfolgten.
Wir schafften es ohne Unterbrechung bis zu Mrs. Stones Büro. Jagger benutzte wieder sein Victorinox-Messer, um uns durch die verschlossene Tür zu bekommen. Das musste definitiv auf meinen Geburtstagswunschzettel. Ich schloss die Tür hinter uns und sah mich um, dankbar für die Nachtsichtbrille.
Ich war von der Größe des Büros überrascht. Es war riesig, zweimal so groß wie das von Frau Schmelder und war ganz geschäftsmäßig, schnörkellos eingerichtet. Es gab keine gemütlichen Sessel oder Sofas. Keine heimeligen Bilderrahmen mit lächelnden Kindern. Ein riesiger industriell aussehender Schreibtisch aus Metall stand in einer Ecke und daneben ein Computerrollwagen aus Metall mit einem enorm großen Computer darauf. Auf einem Regalbrett darunter summten ein Drucker und ein Scanner vor sich hin. Die Wände waren vom Boden bis zur Decke mit Aktenschränken aus Metall vollgestellt. Oh Mann, wie sollten wir in denen irgendetwas finden? Dafür würden wir ewig brauchen, und wenn Jagger recht hatte, lief die Uhr ab.
Ich sah Quinn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er hatte dem Kopf der Smelt einen Besuch abgestattet; vielleicht wusste er, wo es zu finden war.
Quinn ging zu dem Stuhl hinter dem Schreibtisch, setzte sich und sah sich um. Was machte er da? Jetzt war nicht der Zeitpunkt zum Entspannen. Da ich nicht sprechen durfte, starrte ich ihn böse durch meine Brille an. Er ignorierte mich und sah die Wand prüfend an.
Dann stand er auf und ging zielstrebig in eine Ecke. Er packte die Leiter, schob sie zu einem der Schränke und kletterte hoch. Als er an der obersten Schublade angekommen war, zog er sie auf. Dann verbrachte er einige Zeit damit, sie durchzublättern, bis er schließlich nach unten sah und mit den Schultern zuckte. Er seufzte, nahm einen Arm voll Akten und kletterte mit ihnen nach unten.
»Was zur Hölle ist das alles?«, musste ich ihm einfach ins Ohr flüstern.
»Alle O’Neills, die ich finden konnte. Ich habe keinen Tad O’Neill gesehen.« Er legte die Ordner auf den Boden und machte mir ein Zeichen, keine Fragen mehr zu stellen.
Herrje! Das waren dreißig bis vierzig Ordner. Die alle durchzugehen, würde ewig dauern. Jagger teilte die Akten in drei Stapel und schob mir einen davon zu.
Ich fing an sie durchzugehen. Alle Akten hatten den Namen des Schülers auf der Vorderseite – den Nachnamen, gefolgt vom Vornamen. Ich sortierte sie zuerst nach männlich und weiblich und warf die Mädchen zur Seite. Dann stoppte ich. Was war, wenn Tad auch ein Gynandromorph war? Er konnte auch unter einem Mädchennamen geführt werden. Ich seufzte und entschied mich, die weiblichen Ordner durchzugehen, wenn ich mit den männlichen fertig war.
Der erste Name war O’Neill, William. Ich öffnete den Ordner und studierte das Foto darin kurz, dann schloss ich ihn wieder. Nein, außerdem war William ein Vampir. Ich warf den Ordner zur Seite. Und so ging es weiter, mein Stapel wurde höher und höher.
Ich wollte gerade mit den Mädchen anfangen, als Quinn einen Ordner hochhielt. Jagger und ich krochen zu
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