Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
hineinzugelangen. Er
schritt einen Pfad entlang, kam dann durch ein Dickicht und trat schließlich auf das Feld hinaus,
von wo aus er seine Reise begonnen hatte, ohne diesmal jedoch erst einen Teich oder einen Sumpf
oder einen tiefen Wald durchqueren zu müssen; das Feld war nur wenige hundert Meter entfernt.
Mortis und Luna erwarteten ihn dort.
»Was hatte die alte Mutter Natur dir denn so Dringendes zu sagen?« fragte Luna etwas
schnippisch.
»So alt ist sie gar nicht. Jedenfalls glaube ich das nicht.«
»Dann schätz doch mal ihr Alter auf plus/minus zehn Jahre.«
»Bist du etwa eifersüchtig?« fragte er, angenehm berührt.
Luna überprüfte sich selbst, als wollte sie sich vergewissern, daß sie keinen Wahrheitsstein
dabei hatte. »Natürlich nicht. Nun, wie alt?«
»Das konnte ich einfach nicht ausmachen. Sie hat Nebel getragen.«
»Nebel?«
»Irgendeine Art Nebelschleier. Er hat ihren ganzen Körper verdeckt. Aber ich hatte einen Eindruck
von Jugend, oder zumindest nicht von Alter.«
»Die Natur ist zeitlos.«
»Das ist sie wohl, technisch gesehen. Aber das ist der Tod auch.«
Luna packte besitzergreifend seinen Arm. »Und der Tod soll mir gehören. Aber hat sie denn keine
wichtige Mitteilung oder Warnung für dich bereitgehalten? Wenn Sterbliche wie ich davon nicht
erfahren dürfen, dann sag es ruhig.«
Zane lächelte verlegen. »Nichts dergleichen! Anscheinend wollte sie einfach nur ein wenig
plaudern.«
»Oder den neuen Amtsinhaber abschätzen.«
»Vielleicht. Sie hat über dieses und jenes gesprochen, über die Evolution und über den Schamanen,
der den ältesten Beruf der Welt ausübt. Über Gedankenformationen und darüber, wie die anderen
Inkarnationen mir auf raffinierte Weise Steine in den Weg legen könnten, wenn ich es nur zuließe.
Sie hat sich die Seele angeschaut, die ich unterwegs eingesammelt habe, und dann hat sie auch
noch angedeutet, daß sie sie wieder herstellen könnte.«
»Vielleicht hat sie nur einen Köder ausgeworfen. Damit du reagierst, damit sie dich besser
einschätzen kann. Manche Frauen sind eben so, und die Natur ist dafür sicher das extremste
Beispiel.«
»Sicherlich der Archetyp«, stimmte er zu. »Aber was die Seele angeht, so läßt sich das leicht
feststellen. Wir wollen ihren Bluff einmal überprüfen. Ich werde diese Seele jetzt wieder zu
ihrem Körper zurückbringen.«
»Das ist wirklich ein interessantes Rendezvous«, bemerkte Luna, als sie wieder auf Mortis
aufgesessen waren.
»Wenn du schon darauf bestehst, mit dem Tod auszugehen, dann kannst du auch nur morbide Dinge
erwarten.«
Das Pferd schoß davon, es kannte sein Ziel. Luna legte die Arme um Zanes Oberkörper und hielt
sich fest.
»Seit ich dich kennengelernt habe, hat die Aussicht, sterben zu müssen, für mich schon etwas von
ihrem Schrecken verloren«, redete sie auf seinen Rücken ein, während sie mit Hyperantrieb die
Welt durchquerten. »Vielleicht war es ja das, was mein Vater vorhatte.«
Zane antwortete nicht. Er konnte den Gedanken daran, daß sie früh sterben würde, immer noch nicht
richtig akzeptieren. Was würde denn für ihn übrig bleiben, wenn sie erst einmal fort war?
Inwieweit hatte sie ein derartiges Schicksal verdient? Es war ihm egal, welche Sündenlast ihre
offizielle Akte anzeigen mochte; sie war eine gute Frau.
Mortis ging neben einem Beerdigungsinstitut nieder. Es war immer noch Nacht hier in San Diego,
oder zumindest allerfrühester Morgen, und alles war ganz ruhig.
Die Eingangstür war verschlossen, doch als sie von dem Todeshandschuh berührt wurde, ging sie
auf; kein stoffliches Hindernis konnte den Tod aufhalten. Sie traten ein und entdeckten schon
bald die Kühlabteile, wo man die Leichen für die Dauer der vorgeschriebenen Wartezeit lagerte.
Mit Hilfe seiner Edelsteine gelang es Zane, die Schublade auszumachen, in der das Tanzmädchen
lag; er zog sie hervor. Er hatte gar nicht gewußt, daß sich die Edelsteine auch auf einen
seelenlosen Körper ausrichten konnten, wenn er dies wollte; sie waren wirklich vielseitiger als
er erwartet hatte.
Da lag sie nun, ganz definitiv tot. Und gar nicht so hübsch wie ein Leichnam, den man mit
geschlossenen Augen und Mund zum Vorzeigen ausgelegt hatte, mit entnommenen Eingeweiden und
Einbalsamierungsflüssigkeit anstelle des Blutes; sie war einfach nur eine todeskalte Leiche.
»Wirklich, ein höchst ungewöhnliches Rendezvous«, murmelte Luna.
Zane öffnete seinen Beutel und holte die Seele des Mädchens
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