Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
vielleicht noch mißhandeln.«
»Es ist sehr schwer, ein Gespenst gegen seinen Willen festzuhalten«, meinte sie und
verschwand.
»Und noch einmal vielen Dank für deine Hilfe!« rief er ihr hinterher. »Du hast mir die Augen
geöffnet!«
»Gerne geschehen, Tod«, erklang ihr Wispern wie eine leise Brise. Dann war er allein.
Er schritt durch die Tür und begegnete einer wahrhaft majestätischen und wunderschönen Frau, die
in üppiger, antiker Mode gekleidet war. »Ich bin Helena von Troja«, verkündete sie.
Natürlich war Zane mit den historischen, geradezu legendenhaften Berichten über die Taten dieser
berühmten Frau vertraut. Ihr Gesicht war es gewesen, das tausend Zauber ausgelöst und einen
heftigen Krieg zwischen dem Stadtstaat Troja und den Vereinten Streitkräften Griechenlands
angezettelt hatte. Natürlich konnte Helena Satan nun auf weitaus unmittelbarere Weise
dienen.
»Und jetzt spielen Sie Callgirl für den Vater der Lüge«, fauchte Zane und schritt an ihr
vorbei.
»Bitte!« rief sie und hielt seinen Arm fest. »Sie wissen nicht, was es bedeutet, dreitausend
Jahre über die eigene Blütezeit hinaus zu sein! Sie machen sich ja gar keine Vorstellungen, was
der Herr der Lügen Frauen antut, die in seinem Dienst versagen!«
Obwohl er es besser wußte, fühlte sich Zane durch ihr Flehen gerührt. Nun gut, vielleicht war sie
ja seit dreitausend Jahren tot, aber eine wunderschöne Kreatur war sie doch. »Ich will Ihnen
nichts Böses, Helena. Aber ich versuche, eine gute, lebende Frau vor dem Zugriff Satans zu
retten. Würden Sie es fertigbringen, diese Frau zu verraten?«
Helena sah ihn an. In ihren wunderschönen Augen bildeten sich Tränen und rannen über ihre
klassischen Wangen.
Langsam sackte ihr Gesicht zusammen, und ihr Körper verwandelte sich in eine gestaltlose Masse.
Dann löste sie sich in Rauch auf, und ihre Seele sank durch den Boden dem entgegen, was sie
fürchtete.
Sie hatte ihn verstanden. Helena von Troja war im Prinzip eine gute Frau gewesen, die sich
weigerte, eine Geschlechtsgenossin zu verraten. Traurig schritt Zane hinaus ins Freie.
Mortis erwartete ihn, sein Sattellicht blinkte drängend.
Zane saß auf und steckte sich den Dolmetschstein ins Ohr.
»Was ist los, prachtvoller Hengst?«
»Satan hat die Höllenhunde losgelassen.«
»Das hört sich schlimm an. Was ist denn ein Höllenhund?«
»Ein Dämon in Tiergestalt. Dessen Seele kannst du nicht einfach zusammenfalten, denn sie ist
nicht menschlichen Ursprungs.«
Das mußte Zane erst einmal verdauen. Anscheinend fuhr Satan jetzt schwerere Geschütze auf. »Was
kann ich tun?«
»Das zu sagen steht mir nicht zu, Meister. Wenn wir einem von ihnen allein begegnen, kann ich
dich beschützen.«
»Jagen die Höllenhunde denn allein?«
»Nicht unbedingt.«
Zane spürte einen eisigen Schauer. »Wieviel Zeit habe ich noch?«
»Es braucht seine Zeit, um vom Höllenhundpfuhl zum Fegefeuer zu laufen, auch für übernatürliche
Wesen. Vielleicht hast du noch fünfzehn Minuten, bis sie eintreffen.«
»Gut. Ich muß noch etwas erledigen. Bring mich zum Archiv.«
Mortis galoppierte auf das große Fegefeuergebäude am gegenüberliegenden Ende der Ebene zu. »Du
darfst nicht zu lange verweilen«, warnte das Pferd. »Drinnen kann ich nicht bei dir sein.«
»Ich kehre zu dir zurück, bevor die Höllenhunde eintreffen.«
Zane saß ab, betrat das Gebäude und begab sich sofort zum Computerterminal, um es
anzuschalten.
SEIEN SIE GEGRUESST, TOD, blitzte es auf dem Schirm auf. DIE INFORMATION, DIE SIE HABEN WOLLEN,
BEFINDET SICH NICHT IN MEINEM DATENSPEICHER.
»Das möchte ich wetten«, brummte Zane.
KEIN GEWOEHNLICHES WESEN KANN EINEN HOELLENHUND AUFHALTEN.
Die Neuigkeiten machten ja schnell die Runde!
»Das ist auch nicht meine Frage.«
Der Monitorschirm flackerte, er wirkte überrascht.
SIE MACHEN SICH DOCH BESTIMMT SORGEN.
»Wie viele Seelen sind bisher aus der Hölle freigelassen worden?«
SINNLOSE FRAGE. BITTE NEU FORMULIEREN.
»Oh, nein, die ist überhaupt nicht sinnlos, Maschine! Der Herr des Bösen behauptet, daß er die
Seelen nur bearbeitet, um sie von ihrer Sündenlast zu befreien, danach läßt er sie in den Himmel
aufsteigen. Wie viele Seelen hat er bis heute freigelassen? Mir genügt eine ungefähre
Ziffer.«
Pause.
KEINE INFORMATION, zeigte der Schirm schließlich an.
»Was soll das heißen, keine Information? Du verfügst doch über die Aufzeichnungen der gesamten
Ewigkeit!«
ICH MEINE DAMIT, DASS ES BISHER KEINE
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