Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
kalt...«
»Hast du deine Sündenlast denn immer noch nicht abgetragen? Schließlich bist du schon länger in
der Hölle, als du auf Erden gelebt hast, Sean, und du warst eigentlich nie ein wirklich böser
Mensch, nur jemand, der eben sehr viel Unrat hinterlassen hat.«
Sean kratzte sich am Hinterkopf. »Ich weiß es nicht, Mädchen. Es wird zwar Buch geführt, aber
irgendwie scheine ich nie richtig aufzuholen. Ich muß wohl wirklich ziemlich unverbesserlich
sein.«
»He, dein Handschuh ist ja zerrissen«, sagte Molly besorgt.
»Komm, ich flicke ihn dir.« Sie griff nach der Hand des Mannes.
»O nein, das ist schon in Ordnung«, erwiderte er schnell und riß seine Hand fort. »Ich komme
schon zurecht. Ich muß sowieso wieder an die Arbeit.« Dann machte er sich wieder daran, auf
wirkungslose Weise den Dreck zu bearbeiten.
»Wenn du ganz sicher bist...«, sagte Molly besorgt.
»Wie Sie sehen können«, sagte Satan mit einem neuen Lächeln, »sind wir hier in der Hölle zwar
hart, aber fair. Leute, die sich im Leben nicht bessern wollen, lassen sich auch im Tod nicht
leicht bessern, aber schließlich zahlen sich Beharrlichkeit und Konsequenz immer aus.«
»Ja, das sehe ich«, stimmte Zane ihm zu. »Es leuchtet auch durchaus ein...«
Wieder öffnete Satan eine Tür in der Luft, und sie traten hinaus, um sich in einem bequem
möblierten Wohnzimmer wiederzufinden. »Sie begreifen also, daß es keinen Sinn hat, das System
durcheinanderzubringen«, sagte er.
»Einverstanden«, meinte Zane. »Dennoch sehe ich aber nicht ein, warum ich Luna vorzeitig holen
sollte. Irgendwie stecke ich da schon in der Zwickmühle.«
»Durchaus«, meinte Satan bereitwillig. »Ich bin sicher, wenn Sie die Sache mal gründlich
durchdacht haben, werden Sie schon meinen Standpunkt einnehmen.« Nun öffnete er eine weitere Tür,
und Zane und Molly traten in Zanes eigenes Wohnzimmer im Todeshaus. Die Tür schloß sich hinter
ihnen und wurde wieder zum Bildschirm.
Zane schritt zu seinem reglosen Körper, ging vorsichtig in Position und ließ sich langsam in
seinen eigenen Schoß sinken.
Sofort verschwand er im Fleisch und wurde wieder mit seinem Körper eins. Kurz darauf öffnete er
die Augen, wieder feststofflich geworden. Das war eine Erleichterung!
»Ich werde Ihnen meine Helfershelfer schicken, die sich um Ihre Bequemlichkeit kümmern werden,
Tod«, sagte Satan vom Bildschirm aus. Dann verschwand er, und das gewöhnliche Nachrichtenprogramm
erschien aufs neue.
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12. Kapitel
Paradoxon
Molly setzte sich auf Zanes Schoß, legte ihm die Arme um die Schulter und berührte sein
rechtes Ohr mit den Lippen. Auf diese Entfernung duftete sie leicht nach Muscheln und wog
praktisch gar nichts.
»He, das ist doch nicht nötig«, protestierte Zane, verlegen und verblüfft zugleich.
»Aber ich muß dir doch dafür danken, daß du mich auf deine Reise in die Hölle mitgenommen hast«,
erwiderte sie. »Immerhin habe ich dort einen Freund wiedergetroffen.«
Zane gab nach und duldete ihre Umarmung. Was hätte ein Gespenst seinem feststofflichen Körper
auch antun können?
»War mir eine Freude, Molly. Könntest du jetzt vielleicht zurück...«
Wie eine leise Brise huschten ihre körperlosen Lippen über sein Ohr. »Tod... ich muß es dir
sagen, bevor Satan dieses Haus hier in seine Gewalt bringt«, flüsterte sie drängend.
»Was denn?«
»Nein, nein... du darfst nicht offen reagieren. Lächle einfach und sieh entspannt aus. Satan
sieht zu. Er wird es zulassen, daß ich dich streichle, weil er will, daß du dich für eine andere
Frau als Luna zu interessieren beginnst. Paß auf, ich werde mich ein wenig feststofflicher
machen, damit du mein Fleisch fühlen kannst.« Und schon besaß sie Körpergewicht, das gegen seinen
Schoß drückte. »Du hast mich als Führerin mitgenommen, und jetzt werde ich dich auch führen.
Vertraue mir, Tod - es ist sehr wichtig.«
Von diesem plötzlichen Charakterwandel überrascht, lächelte Zane und zwang sich dazu, sich
körperlich zu entspannen.
Tatsächlich war Molly ein sehr gutaussehender Geist, und es war gar nicht schwer, ihre Nähe zu
ertragen, auch wenn er leichte Schuldgefühle hatte, weil sie nicht Luna war.
»Als ich Seans Hand berührt habe, trug er gar keinen Handschuh«, flüsterte Molly und knabberte
dabei an seinem Ohr.
Zane wollte etwas erwidern, doch sie legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen. »Diese Leute in
der Hölle tragen überhaupt keine Kleidung«, fuhr sie fort. »Sie
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