Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
so wechseln die anderen
auch normalerweise ihr Personal. Sie werden müde oder langweilen sich und geben den Weg für ihren
Nachfolger frei.«
»Ohne Nachteile?«
»Du würdest in denselben Seelenzustand zurückkehren wie damals, als du förmlich aus dem Leben
geschieden bist. Für dich bedeutet das das Gleichgewicht.«
»Also würde ich entweder in den Himmel oder in die Hölle kommen, genau wie damals, wenn ich nicht
meinen Vorgänger getötet hätte. Dann hätte sich für mich ja gar nichts verändert.«
»Ja. Nach deiner Probezeit wird sich dein Gleichgewicht von Gut und Böse aber doch verändern,
dann würde deine Kündigung unter anderen Voraussetzungen stattfinden.«
»Interessant.« Zane überlegte. »Nein, ich kann nicht kündigen. Dann würde mein Nachfolger Luna
holen, und Satan hätte gesiegt. Das darf ich nicht zulassen.«
»Dann hast du doch Mut. Du hast einen leichten Ausweg, den du aber nicht annimmst.«
»Nein, wenn ich irgendeinen annehmbaren Ausweg hätte, würde ich ihn auch nehmen. Das ist
nicht dasselbe.«
Mortis blieb an einem grünen Golfplatz stehen. »Das Ungeheuer aus der Hölle hat uns abgefangen.
Deine Chancen wären besser, wenn du auf mir rittest.«
»Du mußt für meinen Nachfolger überleben. Du hast dein Amt nicht im Stich gelassen; ich werde
dich nicht weiter in mein Problem hineinziehen.« Zane saß ab, nahm die Sense und trat vor. Dann
blieb er stehen und wandte sich zurück. »Was ist das überhaupt für ein Ungeheuer?«
»Eine Gottesabtöterin.«
»Eine Gottesanbeterin? Die sind doch so klein.«
»Abtöterin. Ein Höllendiener betet Gott nie an, aber er versucht, ihn abzutöten. Die
Dinger sind sehr groß.«
Da erschien auch schon das Ungeheuer. Es sah aus wie eine Gottesanbeterin, war aber fünf Meter
hoch. Die riesigen Zangenbeine sahen so aus, als könnten sie einen ausgewachsenen Mann mit einer
einzigen Bewegung zermalmen. Aus seiner schrecklichen Höhe blickte das Ungeheuer mit seinem
kleinen Kopf auf Zane herab, um abzuschätzen, worauf es sich stürzen sollte.
Zane blickte an der Gottesabtöterin empor und war entsetzt.
Mut? Nichts davon! Doch dann dachte er an Luna, wie sie sterben würde, und an Satan, wie er die
Welt in seinen Griff bekäme, und blieb standhaft.
»Also gut, hau ab«, sagte er zu Mortis. »Aber schnell!«
Das Pferd schoß davon - und die Abtöterin schlug zu. Ihr Leib jagte mit einer derartigen
Geschwindigkeit vor, daß er nur noch undeutlich zu erkennen war, und ihre massiven Unterarme
öffneten sich, um wieder gegeneinanderzuschlagen wie jene des Insektenungeheuers, das sie
nachahmte.
Sie verfehlte ihr Ziel. Ihre Scherenarme griffen ins Leere.
Fast ins Leere - sie hatten ein paar Pferdehaare zu packen bekommen.
Die Abtöterin hatte sich auf Mortis gestürzt, auf das bewegliche Ziel. Zane hatte sich überhaupt
nicht bewegt, so daß er den Angriffsreflex des Ungeheuers nicht ausgelöst hatte.
Schieres Glück! Das Pferd war so schnell davongejagt, daß es entkommen war - aber die Vorführung
genügte, um die unglaubliche Geschwindigkeit des Ungeheuers unter Beweis zu stellen. Zane wußte
jetzt, daß er nicht davonlaufen konnte. Er konnte nicht einmal seine Sense ins Spiel bringen,
bevor das Wesen ihn gepackt hatte; seine Reflexe waren einfach nicht schnell genug.
Der winzige dreieckige Kopf hoch oben legte sich schräg, als wollte er nachsehen, was aus seiner
Beute geworden war. Dann richtete die Abtöterin sich wieder auf, bereit für eine neue Attacke.
Außer den beiden schweren Vorderbeinen besaß sie noch vier andere sowie vier riesige Schwingen,
die im Augenblick an dem langen Körper anlagen. Die Gottesabtöterin sah plump aus, wie ein Ast
auf Stelzen, doch Zane hatte sie in Bewegung gesehen. Sie war nicht plumper als Satans
Zunge!
Stehenbleiben und die Sense schwingen - daran hatte Zane gedacht, doch nun wußte er, daß das
hoffnungslos wäre. Mit der Sense würde er allenfalls das mittlere Beinpaar durchtrennen können -
doch schon lange bevor er soweit kam, würden ihn die Vorderbeine einfangen und zermalmen.
Genaugenommen konnte er sich überhaupt nicht mehr bewegen, ohne sofort angegriffen zu werden:
Mortis' Flucht und das, was sie ausgelöst hatte, waren ihm eine Warnung.
Doch was konnte er dann tun?
Nun, er konnte warten. Anscheinend griff die Abtöterin nicht an, solange sich nichts bewegte.
Wahrscheinlich wußte sie nicht, ob Zane am Leben war, und verschmähte, wie die Hot-Smoke-Drachin,
jedes Aas. Wenn er
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