Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
entledigen?
Darüber wollte er lieber nicht nachdenken.
Der Wagen fuhr glatt dahin und bahnte sich gekonnt seinen Weg durch den Verkehr. Es war eine
echte Freude, ihn zu fahren. Er folgte dem Pfeil und dem Auge und gelangte seinem Ziel schnell
näher.
Wo war er? Vielleicht in Brasilia, dem Herzen des südlichen Kontinents. Doch nein, jetzt
erblickte er das Allgemeine Krankenhaus von Phoenix. Das war Arizona. Er hatte also gar nicht im
Hyperflug den Äquator überquert.
Offensichtlich hatte er die Fahrtstrecke völlig falsch eingeschätzt. Nun, das würde er mit
zunehmender Erfahrung schon noch lernen.
Zane parkte auf dem Besucherparkplatz, zog den Umhang enger um sich und machte sich auf den Weg
zu der Zielstation.
Er war nervös. Er hatte Krankenhäuser nie gemocht, vor allem nicht seit seine Mutter in eines
eingeliefert worden war.
Doch ihm war klar, daß der Tod sehr häufig Termine in Krankenhäusern würde wahrnehmen müssen, daß
dort viele tödlich erkrankte Personen starben.
Niemand stellte sich ihm in den Weg, obgleich keine Besuchszeit war. Offensichtlich hielt man ihn
für einen Arzt oder einen Klinikangestellten. Vielleicht war er das auch, seine Funktion war
schließlich die grundlegendste von allen!
Er machte seinen Klienten ausfindig. Es war ein alter Mann in einem Vierbettzimmer. Alle vier
Patienten waren auf unangenehme Weise mit irgendwelchen Röhren und Geräten verbunden, und alle
schienen sie unheilbar krank zu sein. Oh, wie er es haßte! Er wollte fliehen, doch er konnte
nicht.
Zane machte sich Sorgen, daß sein Äußeres den Klienten in Angst und Schrecken versetzen würde,
wie es schon beim ersten Mal geschehen war, doch es gab keinerlei Möglichkeit, sich anonym an ihn
anzuschleichen. Außerdem war der Tod zu früh dran: Sein Countdown lief erst in zwei Minuten
ab.
Er entschied sich dafür, direkt und ohne zu zögern vorzugehen. Schließlich konnte das hier auch
nicht schlimmer werden als der erste Fall. Er schritt an das Bett.
»Hallo.« Sein gesprochenes Wort hörte sich seltsam an; aus seiner Tasche schien ein Echo zu
ertönen.
Zunächst reagierte keiner der vier Patienten. Das ließ Zane einen Augenblick Zeit, um dem Rätsel
nachzugehen. Er griff in seine Tasche und fand den Ohrring, den er dem Tod abgenommen hatte. War
das Echo aus ihm erschollen?
Warum?
»Hallo«, wiederholte er - und diesmal wurde das Geräusch mit Sicherheit von dem Granat
aufgenommen.
Die Augen des Klienten richteten sich langsam auf ihn. Der schlaffe Mund formte Worte. »Wird
Zeit, daß du kommst, Tod!«
Der Klient sprach eine fremde Sprache - doch Zane verstand ihn, weil der Edelstein in seiner Hand
das Dolmetschen besorgte. Er begriff, daß dies ein magisches Übersetzungsgerät war, ein weiterer
verzauberter Stein. Er stopfte ihn sich ins linke Ohr. Später würde er ihn auf praktischere Weise
befestigen.
Die Neuartigkeit der fremden Sprache und des Steins hatten ihn von seiner bevorstehenden Aufgabe
abgelenkt; der Klient musterte ihn erwartungsvoll. Zane war verblüfft.
»Sie haben mich erwartet? Sie haben gar keine Angst?«
»Dich erwartet? Seit sechs Monaten suche ich nach dir! Angst? Ich habe schon geglaubt, ich würde
nie mehr aus diesem Gefängnis herauskommen!«
»Aus diesem Krankenhaus? Es sieht doch ganz nett aus.«
»Aus diesem Körper.«
Oh. »Sie wollen also...?«
Der Klient blickte ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
»Du bist neu in diesem Job, nicht?«
Zanes Kehle schnürte sich zusammen. »Woher wissen Sie das?«
Der Mann lächelte. »Ich hatte schon einmal eine engere Begegnung mit dem Tod. Er war älter als
du. Mehr Falten am Schädel. Sein Anblick hat mich so erschreckt, daß ich sofort wieder ins Leben
zurückgesprungen bin. Ich lag auf dem Operationstisch im Sterben, aber die Operation wurde ein
Erfolg. Dieses eine Mal.«
»Ich weiß, wie das ist«, stimmte Zane ihm zu und dachte dabei einmal mehr an seine Mutter.
»Damals hatte ich noch Lebenswillenreserven, die durch eine solche Herausforderung mobilisiert
wurden. Aber inzwischen hat sich mein Zustand erheblich verschlechtert. Weder Wissenschaft noch
Magie können den Schmerz lindern. Nicht ohne meinen Geist zu benebeln, und das will ich nicht.
Aber ich glaube sowieso, daß der Tod nur ein Übergang in eine ähnliche Existenz ist, ohne die
Last des Körpers. Manche Leute merken nicht einmal, daß sie tot sind. Mir ist das egal, wenn ich
es merke, solange wenigstens der Schmerz nachläßt. Und so ist mein
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