Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
jungen Mann - der sah ihm jedoch
direkt ins Gesicht. Für den Mann, erkannte Norton, schien er, Norton, rückwärts zu gehen. Auf
jeden Fall fiel Norton auf.
Wieviel leichter das doch auf einem Transportband gewesen wäre! Dort hätte er einfach
stehenbleiben können, rückwärts gewandt, und keine Aufmerksamkeit erregt.
Das ließ sich nicht ändern. Der Mann vor ihm war im Begriff, einen erschreckten Schrei
auszustoßen, weil er in Norton etwas Ungewöhnliches sah. Norton machte kehrt und schickte sich
an, rückwärts zu gehen. Da es nicht sein natürliches Verhalten und er neu in dieser
rückwärtsgewandten Szenerie war, hatte er Schwierigkeiten. Er stolperte über eine Bodenritze und
mußte mit den Armen umherwirbeln, um das Gleichgewicht zu halten. Das war auch nichts!
Er sah zum Haus des Senators zurück. Dort schien soeben jemand herauszukommen. Der kleine
Dämon?
Norton huschte geduckt in eine Seitenstraße, um außer Sichtweite zu kommen. Jetzt machte er sich
nicht mehr die Mühe, rückwärts zu gehen; das war zuviel Aufwand, auch wenn es mehr Sicherheit
oder Tarnung bedeuten mochte.
Er vernahm ein Stöhnen. Als er ihm nachging, entdeckte er einen alten Mann, der auf einem
Müllhaufen lag und aus dem Kopf blutete. Offensichtlich war er überfallen worden und brauchte
Hilfe. Norton wollte schon auf ihn zugehen, als plötzlich ein anderer Mann rückwärts auf sie
zujagte, eine Brieftasche haltend.
Norton stockte, unsicher, was nun geschehen würde.
Der rennende Mann lief zu dem Gestürzten hinüber, beugte sich vor, steckte ihm die Geldbörse
wieder in die Hintertasche, drehte ihn um und trat einen Schritt zurück, während das Opfer wieder
aufsprang. Der andere holte ein stumpfes Instrument hervor und enthieb den Kopf des Opfers. Dann
zog er sich zurück, während das Opfer mit unverletztem Kopf in langsamerem Tempo hinter ihm
herging, als sei nichts passiert.
Wütend rannte Norton auf den Räuber zu. Er packte den Arm mit dem stumpfen Gegenstand und riß ihn
empor. Erschrocken rief der Straßenräuber: »!eH«
»Sie haben ihn überfallen und beraubt!« hielt Norton ihm vor.
Der Mann starrte ihn an. »nehegnih eiS ow, fua tsgilläfeg eiS nessaP«
Norton hielt inne. Rückwärtssprache! Eine weitere Komplikation. Zweifellos konnten die Leute
dieser Welt sich gegenseitig verstehen, da sie ja alle rückwärts lebten, doch er, Norton, lebte
vorwärts. Für ihn war das hier das reinste Kauderwelsch. Er hätte eigentlich damit rechnen
sollen.
Wütend riß er dem Mann den stumpfen Gegenstand aus der Hand und warf ihn fort. »Verschwinden Sie
von hier, Sie Verbrecher!« schrie er und schubste den Mann weg.
Überrascht rannte dieser rückwärts von ihm fort und verschwand um eine Ecke. Norton blieb stehen
und versuchte sich zu orientieren. Hatte er nun tatsächlich einen Räuber entwaffnet - kurz vor
dem Überfall, wodurch er das Verbrechen verhindert hatte -, oder war er lediglich Zeuge geworden?
Im Augenblick der Tat hatte der Mann über ein stumpfes Instrument verfügt. Offensichtlich hatte
er das Verbrechen beendet, bevor die Zeit umgekehrt wurde; würde er nun daran gehindert werden,
wenn die Zeit wieder nach (vor) der Beendigung (des Beginns) von Nortons Mission umgekehrt wurde?
Norton hoffte es.
Er sah sich nach dem Opfer um, weil er es vor der Gefahr warnen wollte, doch der Mann war
verschwunden. Er mußte einen anderen Weg genommen haben. Immerhin war der Überfall noch nicht
geschehen.
Norton ging die Seitenstraße entlang. Er befand sich in dem unansehnlichen Dienstleistungstal, wo
die Mülltonnen standen und der Gehsteig schmutzig war.
Mülltonnen? Ein weiterer Aspekt der Vergangenheit, der gar nicht sonderlich ästhetisch war. Es
war doch viel besser, einen modernen Verbannungszauber für so etwas zu verwenden! Doch solche
Zauber waren natürlich teuer, nicht jeder konnte sie richtig benutzen; manchmal führte ein
gescheiterter Zauber sogar dazu, daß sich nach seiner Anwendung noch mehr Müll im Haus befand als
vorher.
Er hob den Kopf und erblickte einen fliegenden Teppich, der hoch über den Gebäuden rückwärts
flog, gegenwärtig das einzige Anzeichen für das gute moderne Leben. Schließlich befand er sich
hier nicht zweihundert Jahre in der Vergangenheit, auch wenn alles so aussehen mochte.
Er entdeckte eine Hintertreppe und nahm darauf Platz.
Er hatte einiges an Zeit zu verbringen, abseits der Beobachtung durch den Dämon, und dieser Platz
war so gut wie jeder
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