Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
unberechenbarer Macht war. »Und ich
höre dich auch, Chronos, und kann dich endlich deutlich erkennen. Jetzt sind wir aufeinander
eingestimmt.«
»Weil der Sand grün ist?«
»Komm mit mir, Chronos, dann werde ich es dir erklären.« Sie trat vor und nahm ihn am Arm. »Das
ist das mindeste, was ich für dich tun kann, nach allem, was wir füreinander bedeutet
haben.«
Er ließ sich von ihr fortführen. »Haben wir das?«
Sie lachte. »Natürlich erinnerst du dich nicht. Das liegt in deiner Zukunft. In meiner
Vergangenheit. Aber diesmal darf ich dich nicht zu lange mit mir im Einklang halten; es hat
keinen Zweck, deine Magie zu vergeuden. Ah, da sind wir ja.« Sie blieb vor einem Bindfaden
stehen, der von einem Gebäude herabbaumelte. »Nimm meine Hand, Chronos.«
Sie zog an dem Faden, und plötzlich befanden sie sich in einem gemütlichen Raum mit eleganter und
fast lebensechter Wandmalerei.
»Ein nettes Heim hast du, Lachesis«, sagte er.
»Oh, das ist nicht mein Heim«, erwiderte sie sofort. »Das ist deins.«
»Meins?«
»Das hier ist dein Haus im Fegefeuer. Hier in diesem Gebäude strömt die Zeit ständig in deine
Richtung; hier braucht man die Sanduhr nicht zu bemühen. Laß sie wieder normal werden.«
»Normal?« Doch noch während er hinsah, verwandelte sich der rieselnde Sand von Grün in
Weiß.
»Als du den Sand für einen Moment blau gefärbt hast, bist du einen Augenblick zurückgesprungen,
oder, in der Begrifflichkeit der wirklichen Welt, zwei Tage.« Sie blickte ihn wachsam an. »Das
hast du doch getan? Es wird noch zwei Tage dauern, bevor das Amt übergeben wird, und ich habe
vor, mit meinen Zeichen dort zu sein, um dir eine Starthilfe zu geben, aber das liegt noch in
meiner Zukunft.«
»Du warst da, und ich habe es getan«, pflichtete er ihr bei.
»Gut. Und als du den Sand grün werden ließest, hast du dich auf die universale Zeit eingestellt.
Normalerweise lebst du rückwärts, verglichen mit uns anderen, aber die Farbe Grün kehrt dies um,
so daß dein Vorwärts mit dem unseren übereinstimmt. Für dich ist das ein vorübergehender Zustand,
der magische Energie verlangt, also solltest du ihn auch nicht einsetzen, es sei denn, du willst
dich mit einer normalen Person austauschen. In diesem Fall war es notwendig. Aber es ist nicht
klug, den Zustand zu lange aufrecht zu erhalten, und zwar wegen einer möglichen
Drei-Personen-Begrenzungskomplikation.«
»Einer was?«
»Wir werden uns zu einer anderen Zeit mit dieser technischen Komplikation befassen. Ich möchte
dich nicht gleich von Anfang an damit verwirren.«
»Ich bin bereits verwirrt! Warum sollte ich den Sand für einen Augenblick blau werden lassen?
Hätte ich ihn nicht von Anfang an grün färben können?«
»Das hättest du tun können, Chronos. Aber damit wärest du über den Zeitgrenzenrand deines Amtes
hinausgeführt worden, weil du ohnehin schon nahe an der Grenze standest. Ich habe es vorgezogen,
dir zwei Tage Spielraum zu geben, um dieses Risiko zu vermeiden. Du mußt verstehen, daß du
physisch nicht über deine Amtsdauer hinaus reisen kannst; dann wirst du unstofflich und kannst
nicht mit uns interagieren.«
»Das habe ich auch festgestellt.«
»Hättest du den Sand sofort grün werden lassen, so hätte ich dich hierhergeführt und du wärst
noch vor unserer Ankunft verschwunden. Verstehst du, für dich ist das der Anfang, für uns andere
aber das Ende. Für uns wird deine Amtszeit ablaufen und die deines Nachfolgers beginnen.
Plötzlich werden wir einen äußerst erfahrenen Chronos haben, der den alten Novizen ablöst. Der
wird uns alle ganz schön im Gleichschritt marschieren lassen! Er wird all unsere Zukünfte auf
eine Weise kennen, wie sie keiner von uns zu erkennen vermag.« Wieder fixierte sie ihn mit ihrem
beunruhigenden Blick. »Zeit ist Macht, Norton. Du wirst Dinge lernen, die nicht einmal Satan
beherrschen kann. In seinem Fachbereich kann niemand Chronos etwas anhaben. Du wirst dazu fähig
sein, die Welt selbst zu verändern. Sieh zu, daß du diese Macht niemals mißbrauchst.«
Norton fühlte sich überhaupt nicht mächtig. »Ich Will versuchen, das Amt rechtschaffen
auszuüben«, sagte er. »Äh, was dieses Fegefeuer angeht...«
»Das Fegefeuer ist nicht Teil der physischen Welt«, erklärte sie. »Wenn du dich länger mit
jemandem befassen willst, dann bring diese Person hierher und es wird keine Probleme
geben.«
»Das verstehe ich nicht ganz.«
»Natürlich tust du das nicht! Du
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