Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
tun?«
»Vielleicht solltest du erst einmal deine Sanduhr beiseite legen, solange du sie nicht aktiv
benutzt. Dann hast du nämlich die Hände frei.«
»Ja, aber ich möchte auch nicht, daß das Ding auf der Raumachse hinter mir herschleicht.«
»Nun, es gehört zu deinem Amt und wird dich nie verlassen, bis du es weitergibst. Doch in der
Zwischenzeit brauchst du es nur zu verkleinern und kannst es in die Tasche stecken.«
Er versuchte es. Er legte die Hände oben und unten auf die Sanduhr und drückte. Sie ließ sich
geschmeidig zusammenpressen und verwandelte sich schließlich in eine bloße Scheibe. »Sie ist doch
jetzt nicht etwa kaputt?«
»Sie ist ewig. Unzerbrechlich.«
»Aber wie kann der Sand...«
»So wie ich es verstehe, hat die Sanduhr ihre Form nicht wirklich verändert, sondern lediglich
ihr Aussehen. Es ist das gleiche wie bei einem Papier: Wenn man es faltet, verändert das nicht
seine wirklichen Abmessungen oder die Natur dessen, was darauf geschrieben steht; so behält die
Sanduhr alle ihre Eigenschaften. Sie ist deine Welt, auf zwei Dimensionen zusammengedrückt. Es
ist eben alles relativ.«
Norton zuckte die Schultern und versuchte gar nicht erst, das alles zu begreifen. Schließlich
steckte er die Scheibe in die Tasche. »Funktioniert sie auch noch in dieser Gestalt? Ich meine,
wenn ich will, daß der Sand seine Farbe verändert...?«
»Das müßte sie eigentlich. So, und nun sind da einige kleine Fehler, die ich berichtigen muß. Ich
spinne meine Fäden zwar sehr sorgfältig, aber nichts in diesem Kosmos ist perfekt, und manchmal
wickeln sie sich wieder auf. Wenn du bereit bist, deine Arbeit anzutreten, können wir die Sache
jetzt angehen.«
»Sag mir einfach, was ich tun muß.«
Sie zauberte einen winzigen Notizblock aus der Luft und blätterte ihn durch. »Dies hier wird
genügen. Da haben sich zwei Fäden gekreuzt, so daß jeder der Beteiligten das Schicksal des
anderen erleben wird. Da der eine bald einen schlimmen Unfall erleiden soll, handelt es sich
dabei auch um einen gewichtigen Fehler.«
Sie schloß das Notizbuch wieder, und es verschwand.
Dann legte sie die beiden Hände aneinander, die Finger ausgestreckt und gespreizt, und zog sie
auseinander.
Zwischen ihnen waren mehrere schillernde Fäden zu erkennen. »Bring mich zurück an den Zeitpunkt,
da sie sich kreuzen«, sagte sie.
»Warte, du hast gesagt, daß die eine Person einen schlimmen Unfall erleiden muß! Warum soll man
das zulassen? Warum nicht beide Fäden glatt spinnen, damit beider Leben angenehm verläuft?«
Sie schüttelte den Kopf. »So funktioniert der Kosmos nicht, Norton. Wir leben nicht in einem
einfachen oder friedvollen Universum. Die Gezeitenströme der Gewalt wirbeln ständig umher, und
eine Konsequenz folgt der nächsten. Wenn ich versuchte, dieses besondere Leben zu vereinfachen -
was ich tatsächlich könnte -, so würde dies lediglich dazu führen, daß andere Leben noch mehr
Unheil erfahren. Gott und Satan bekriegen einander - das haben sie getan, seit die Zeit begann -,
und die Auswirkungen ihres Kampfes sind ständig für uns gegenwärtig. Es steht mir nicht zu,
darüber zu bestimmen, wer diese Auswirkungen erleidet; meine Aufgabe ist es lediglich, die Dinge
richtig zu verknüpfen. Ich bin die Dienerin, nicht der Herr, und auch du bist nur der Diener. Wir
müssen tun, was wir tun müssen, die Gesetze und Regeln ausführen, die es gibt.«
Norton war damit gar nicht einverstanden, doch ihm war klar, daß er keine fundierte Grundlage
besaß, um dagegen anzugehen. Also ließ er die Sache vorläufig fallen.
Er musterte die Fäden, die sie zwischen ihren gespreizten Fingern hielt. Die meisten von ihnen
führten von Finger zu Finger, doch zwei kreuzten einander. »Wie...?«
»Das ist natürlich eine Analogie«, sagte sie. »Wenn ich einen wirklichen Knoten zwischen den
Händen hielte, könnte ich ihn ja dort auch lösen. Nein, du mußt mich zum tatsächlichen
Raumzeitpunkt bringen.«
»Ja, aber...«
»Ach, ich vergesse es immer wieder! Du hast so etwas ja noch nie getan. Also schön... ich führe
dich durch deine Aufgabe, Schritt um Schritt. Zuerst konzentrierst du dich auf dein Glas.«
Norton holte die Sanduhr hervor und verlieh ihr wieder ihre ursprüngliche Gestalt. Sie
funktionierte noch immer perfekt; der Sand rieselte ständig, und im unteren Teil hatte sich
bereits einiges mehr angesammelt.
»Gut. Weite ihr Umfeld aus, damit es mich einschließt. Das erkennst du an der
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