Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
jeder von uns muß auf eigene Weise
herausfinden, was mit Satan los ist. Und jetzt... an die Arbeit. Weißt du, wie du mit Hilfe
deiner Sanduhr individuelle Lebensfäden ablesen kannst?«
»Noch nicht«, gestand Norton.
»Na ja, gestern warst du schon ganz gut.« Sie erklärte ihm, wie er sich auf den individuellen
Lebensfaden eines Menschen konzentrieren und die genaue Stelle orten konnte, wo sie anfangen,
entwirrt und abgeschnitten werden sollten.
Jeder Faden begann mit der Geburt des Sterblichen, jede Markierung stellte ein Schlüsselereignis
im Leben desselben dar, und das abgeschnittene Ende bedeutete zugleich die Beendigung dieses
Lebens. Doch handelte es sich dabei, so erklärte Clotho, nur um die besonderen Leben; den größten
Teil der Routinearbeit erledigten seine und ihre Mitarbeiter.
Norton lernte schnell, und schon bald ließ er die Sanduhr die entsprechenden Anzeigen aufreihen.
Es schien, als entspräche jedes dieser Körner einem Faden der Schicksalsgöttin.
Mit neuem Respekt musterte er seine Sanduhr. All diese feinen Sandkörner - die ganze Menschheit
in diesem einen Instrument symbolisiert! Jedes einzelne Korn zu klein, um individuell
wahrgenommen zu werden, und doch für seine dazugehörige Person von absoluter Wichtigkeit. Scherte
sich der Kosmos denn um irgendein einzelnes Korn dieses Lebenssandes, oder darum, wann und wohin
es strömte?
Nach mehreren Stunden hielt Clotho inne und streckte sich, wobei sich ihr Leibchen dehnte. »Immer
nur arbeiten und nie spielen«, sagte sie und schmiegte sich in seine Arme.
Erschrocken versteifte sich Norton. »Stimmt etwas nicht?« fragte er.
»Oh, haben wir das in deinem Bezugsrahmen vorher noch nie getan?« fragte sie. »Ich vergesse es
immer wieder, du kommst ja aus der anderen Richtung. Das ist neu für dich, nicht wahr?«
»Alles ist neu für mich«, pflichtete er ihr bei.
»Nun, ich glaube, jetzt ist es Zeit, damit zu beginnen, denn in der jüngsten Vergangenheit haben
wir...« Sie hielt inne. »Aber warum sollte ich sie dir mit meinen Erinnerungen verderben? Komm
schon, ich führe dich hindurch.«
»Durch was hindurch?«
»Dummer Junge! Was glaubst du wohl, weshalb ich als Clotho gekommen bin? Ich bin des jungen
Mannes...«
»Oh. Du... Lachesis... hat etwas gesagt über...«
Sie schnitt ihm das Wort mit einem Kuß ab. In dieser Verkleidung war sie zwar eine äußerst
attraktive Frau, doch seine schmerzliche Erinnerung an Orlene war noch wach, und er war nicht
hierfür bereit. Er wich zurück.
»Ich kenne dich doch kaum!« protestierte er.
Sie lachte, ohne sich vor den Kopf gestoßen zu fühlen.
»Bei jedem anderen würde ich sagen, du machst Witze! Aber das liegt ja alles in deiner Zukunft,
nicht wahr? Also schön - was, glaubst du, hält dich zurück?«
Norton überlegte. »Du würdest mir wohl nicht glauben, wenn ich dir sagte, daß mir flüchtige
Bekanntschaften nicht liegen?«
Sie lachte herzlich.
»Du? Du hast vergessen, daß ich deinen Lebensfaden bemessen habe, bevor du dieses Amt angetreten
hast! Du gehst äußerst flüchtig mit Frauen um!«
»Du kennst mich viel zu gut!« stimmte er ihr bedauernd zu. Ständig ließ er sich vom äußeren
Schein in die Irre führen, obwohl er es doch inzwischen wirklich besser wissen müßte. Clotho
besaß dieselben tiefgründigen Augen wie die Schicksalsgöttin, und sie war kein junges oder
unschuldiges Mädchen. Nein, wahrhaftig nicht! Sie war eine Inkarnation, mit all der ihr inne
wohnenden subtilen Macht und Kraft.
»Aber das hat alles aufgehört, als ich Orlene begegnete. Sie war die erste wahre Liebe, die ich
je erlebte, und...«
»Ach ja, natürlich - diese Erinnerung ist ja immer noch frisch. Wie töricht von mir, das zu
vergessen! Es obliegt mir, dir dabei zu helfen, darüber hinwegzukommen, damit du dich rückhaltlos
auf dein Amt konzentrieren kannst. Also gut - wir nehmen uns frei und besuchen deine sterbliche
Frau.«
»Wir?«
»Nun, du könntest mich schon mitnehmen, wenn du wolltest; das steht in deiner magischen Macht.
Aber du hast recht, hierbei bist du wohl besser allein.« Sie fischte in ihrem Haar nach einer
einzelnen Strähne.
»Hier ist Orlenes Lebensfaden. Abgeschnitten, wie du siehst; nur noch ein Drittel so lang, wie er
hätte sein können. Du kannst natürlich seine volle Länge wiederherstellen, wenn du willst. Die
Macht der Inkarnationen ist groß, wird jedoch beschränkt, wo sie sich mit der der anderen
Inkarnationen überschneidet. Richte deine
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