Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
nicht enttäuschen wollte. Er würde ihr zeigen müssen, was es mit seinem Ring auf sich hatte.
»Sning...«
Sning löste sich von seinem Finger und glitt über die Hand hinab auf den grünbewachsenen Boden.
Dabei dehnte er sich aus und wurde zu einer normal großen grünen Schlange, dann zu einer Python
und schließlich zu einem Ungeheuer von einem Fuß Durchmesser.
»Herre!« rief die Damseil und zückte einen blitzenden Dolch. »Ohne Kampf sollt Ihr mich nicht
verzehren!«
»Oh, Sning frißt keine Leute«, meinte Norton verunsichert. »Er ist ganz freundlich. Ich glaube,
er möchte sich lediglich als Reittier anbieten.« Die Entwicklung des Ganzen erstaunte ihn; er
hätte nie geglaubt, daß Sning seine Größe verändern könnte.
Vielleicht war dies ein Talent, das den Contraterrenischen Welten vorbehalten blieb, wo
möglicherweise andere Gesetze herrschten.
»Närrin wäre ich in der Tat, mein zartes Fleisch dem Rücken dieses üblen Reptils anzuvertrauen!«
rief sie.
»Ich bin sicher, daß keine Gefahr besteht. Hier, ich zeig es Ihnen.« Norton schritt auf den
monströsen Sning zu und kletterte unbeholfen auf eine erhabene Schlinge hinauf. Das Fleisch der
Schlange war fest und trocken und leicht nachgiebig, recht bequem und gar nicht glatt. Norton
hatte keine Probleme damit, Halt zu finden. »Sehen Sie - Sning wird Sie überall hinbringen, wo
Sie auch hinmüssen, Fräulein...«
»Excelsia«, sagte sie. »Und wer seid Ihr?«
»Norton.« Da ihm sein Dialog mit Orlene noch frisch im Gedächtnis war, verspürte er keine Lust,
sich jetzt schon wieder auf die Sache mit dem Chronosamt einzulassen.
»Herre, jene Kreatur werde ich nicht alleine reiten!«
Norton zuckte die Schultern. »Natürlich reite ich mit Ihnen.« Er hatte sich ohnehin nicht von
Sning trennen wollen. »Sie können sich ja auf eine andere Schlinge setzen.«
Vorsichtig saß sie auf, im Damensitz. »Doch wo sind die Zügel?«
»Ich glaube, er funktioniert sprachgesteuert. Wohin wollen Sie?«
Allerliebst legte sie den Kopf schräg. »Nun, da hatte ich mich noch nicht entschieden.«
»Sie wollten ein Reittier herbeizaubern, ohne ein Ziel zu haben?«
Süße Verärgerung huschte über ihr Gesicht. »Nun, für gewöhnlich fange ich mir ein schönes
Einhorn, und dann beschließen wir es gemeinsam.«
Ein Einhorn. Das paßte. Auf der Erde waren solche Wesen gräßlich teuer, und jeder, der eines
besitzen wollte, mußte einen Stammbaum nachweisen, der mindestens ebenso umfangreich und vornehm
war wie der eines Tieres, bevor ihm der Erwerb gestattet wurde.
Im sogenannten Zeitalter der Aufklärung waren Einhörner aber wie Drachen in den Untergrund
gegangen. Doch hier waren solche Tiere anscheinend weit verbreitet.
»Warum begeben Sie sich dann nicht zum Einhornkorral und holen sich eins?«
Excelsia ließ ein glockenhelles Lachen ertönen. »Herre, niemand holt sich ein Einhorn anders als
durch einen Zauber, und auch dies kann nur durch eine wunderschöne Jungfrau wie mich vollbracht
werden.«
Oh. Ja. Ganz bestimmt. »Nun, dann vielleicht irgendeine andere Art von Reittier. Eines, das Sie
jeden Tag bei sich haben können und nicht jedesmal aufs neue heraufbeschwören müssen, wenn Sie
mal ausreiten wollen.«
Erneut legte sie den Kopf schräg und dachte nach. Sie wirkte nicht besonders intelligent, doch
das wurde durch ihre Schönheit mehr als ausgeglichen. »Es gibt allerhiero nur ein magisches
Reittier, welches ein Mensch halten kann, und dieses befindet sich bereits im Bann der Bösen
Zauberin.«
»Was ist das für ein Reittier?«
Sie nahm einen verzückten Gesichtsausdruck an. »Das Alicorn.«
»Das was?«
»Ein geflügeltes Einhorn, von allerrassigstem pferdischen Fleische, der Schwärm jeder schönen und
unschuldigen Maid. Für dieses Reittier würde ich alles dahingehen.«
»Alles?«
Sie warf ihm einen scharfen Blick zu, wobei sie eine Schnute zog. »Was war das für ein Gedanke,
Herre?«
Norton errötete. »Es ist nur, daß... so wie ich die Sache verstehe... wenn Sie dieses Geschenk
gäben, das nur Sie geben können, dann wären Sie wohl nicht mehr in der Lage, das Alicorn zu
halten.«
»Das ist wahr«, meinte sie knapp. »Doch ist dies von geringer Bedeutung, denn niemand kann das
Alicorn fangen.«
»Nun, gehen wir der Sache doch einmal nach. Was steht dem denn entgegen?«
»Zunächst einmal die Böse Zauberin, die erst erschlagen werden muß, ehe daß man sich dem Wesen
nähern kann. Dann...«
Das gefiel ihm nicht.
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