Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
dreizehn Ungeheuer zu sehen.
Sie gelangte zu dem Schluß, daß alle bis auf drei Illusionen waren, nämlich die drei, die einen
Weg an jeder Gabelung versperrten. Es ließ sich zwar nicht feststellen, welches von den beiden
dortigen Ungeheuern wirklich war, doch das machte nichts. Nun standen die Chancen zu ihren
Gunsten. Sie brauchte die Ungeheuer lediglich an den Gabelungen zu überprüfen, was sie drei Fäden
kosten würde, würde dabei aber zehn Illusionen hinter sich zurücklegen. Vorausgesetzt, daß sie
die beiden Kissenillusionen richtig eingeschätzt hatte, würde ihr Spielstand dann zwölf zu
zwanzig betragen. Zwölf Fäden auf zwanzig Illusionen und vielleicht noch weitere Illusionen, die
in anderen Gängen warteten und die sie umgehen würde. Das war ein Punkteverhältnis, das ihr
gefiel!
Sie merkte sich den Weg, dann verließ sie rückwärts kriechend das Sprungbrett. Erst im
Turminneren erhob sie sich wieder und schritt herab, sehr zufrieden mit sich.
Wenn sie richtig gerechnet hatte, war sie im Begriff, das Spiel zu gewinnen.
Der Gang, durch den sie gehen mußte, wurde von dem Kopf mit den muskulösen Armen bewacht. Ob das
ein Symbol war? Ein muskulöser Kopf, der richtiges Denken, bedeutete.
Symbole waren eine Form der Kunst, und Satan hatte einen heimtückischen Sinn für Humor. Deshalb
war es durchaus möglich.
Niobe schritt durch die Illusion und betrat den Gang. Das nächste Ungeheuer war eine Katze mit
Hühnerbeinen; auch durch dieses schritt sie hindurch. Als sie die erste Gabelung erblickte, nahm
sie den linken Gang und schleuderte einen Faden gegen den falkenköpfigen Hund, der ihn bewachte.
Das Wesen kreischte laut los und griff sie an. Es war wirklich. Deshalb zog sie sich zurück, nahm
den anderen Gang und marschierte durch den kopflosen Mann, der sein Gesicht auf dem Bauch
trug.
An der nächsten Gabelung erwischte sie gleich beim ersten Mal die Illusion. Doch eigentlich
spielte es keine Rolle; nun, da sie das Spiel durchschaut hatte, würde sie ohnehin mit einem
Faden weiterkommen. So gelang es ihr ohne Schwierigkeiten, den Gang zu durchqueren, bis sie
schließlich zu der undurchsichtigen Mauer kam. Sie hatte es geschafft! Mit Hilfe ihres Verstandes
war es ihr gelungen weiterzukommen.
Sie schritt durch die Türöffnung in der Mauer. Im nächsten Augenblick erreichte sie auch schon
ein blankes Hindernis, doch es war eine Illusion. Sie trat hindurch...
Zuerst war es der eine Fuß, dann auch der andere, der auf etwas landete, das sich hob, um ihre
Knöchel zu umschlingen. Erschrocken blickte sie hinunter und stellte fest, daß sie auf Skiern
stand. Die setzten sich in Bewegung. Niobe war als Kind Ski gefahren, so daß sie wußte, wie sie
ihr Gleichgewicht halten und einen schneebedeckten Abhang hinunterfahren mußte, aber das war vor
fünfundsiebzig Jahren gewesen.
Skifahren war das letzte, womit sie in der Hölle gerechnet hätte! Aber sie hatte ja eigentlich
gewußt, daß es möglich war.
Sie wurde immer schneller. Zu beiden Seiten der Piste erblickte sie zwei aufrecht stehende
Skistöcke. Sie streckte die Arme aus und packte sie. Offensichtlich hatte Mars dafür gesorgt, daß
sie in diesem Abschnitt des Labyrinths eine faire Chance erhielt; immerhin verfügte sie nun über
die notwendige Ausrüstung.
Niobe schoß aus der Kammer. Sie befand sich auf einem hohen Berg, auf einem steilen Abhang, und
beschleunigte immer stärker. Unter ihr waren verschiedenste Spuren im Schnee, durch dünne
Feuersäulen markiert. Eine Spur führte zu einer hochaufragenden Sprungschanze, die andere zu
einem großen eisbedeckten See.
Sie wählte die dritte Spur, die einem Slalomlauf zu folgen schien: ein gewundener Pfad zwischen
den Feuerpfählen.
Sie war zwar keine Slalomexpertin, doch erschien ihr diese Route besser als die anderen.
Sie kam an der ersten Säule vorbei und fuhr sie in einem weiten Bogen, wobei sie fast das
Gleichgewicht verlor. Sie war nicht mehr in Form, und es fehlten ihr die geschmeidigen Muskeln
der Jugend. Wer hätte auch schon je von einer Frau mittleren Alters gehört, die Slalom
fuhr!
Ihre Haltungskorrektur erwies sich als ein wenig zuviel des Guten, und sie streifte die zweite
Säule. Als sie ihren Ellenbogen dabei verbrannte, zischelte es; ihre Kleidung fing Feuer, und sie
spürte einen scharfen, stechenden Schmerz. Niobe benutzte die andere Hand, um die Flamme
auszuschlagen worauf der Skistock herumwirbelte, sie das Gleichgewicht endgültig
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