Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
hatten, löste Niobe die Sperre und ließ
die Waagschalen ausschwingen. Sie waren nicht ausgeglichen. Langsam senkte sich die linke Schale.
Dort befand sich eine Spur mehr Böses. Das war natürlich am schwierigsten zu ergründen.
Nun kam der entscheidende Schritt. Sie deutete auf den Dämon zur Linken, der am dichtesten an der
Waagestange stand, und tat das gleiche mit dem zur Rechten. »Du und du... tauscht eure
Plätze.«
Achselzuckend ob dieses Unsinns wechselten die Dämonen ihre Positionen. Das Publikum begann zu
murmeln. Satan schnitt eine Grimasse.
»Ihr da«, sagte sie zu den anderen, die zur Rechten übriggeblieben waren. »Steigt herunter.« Sie
taten es.
»Ihr drei«, sagte sie und zeigte auf drei Dämonen der nicht abgewogenen Gruppe. »Stellt euch
darauf.«
Und die drei marschierten auf die Waagschale. Niobe sah, wie die Inkarnationen den Kopf
schüttelten. Sie glaubten, daß sie ihren Verstand verloren hatte. Blanche und Blenda neigten
bedauernd die Köpfe. Niemand glaubte an sie, doch sie wußte, was sie tat, zumindest hoffte sie
das.
Als der Wiegevorgang abgeschlossen war, stellte sich heraus, daß die linke Seite immer noch
schwerer war; das teilte ihr viel von dem mit, was sie wissen mußte. Wäre sie ausgeglichen
gewesen, so hätte sie gewußt, daß die Fälschung sich unter den dreien befand, die sie entfernt
hatte, und daß sie leichter war, weil sie sie von der leichteren Waagschale genommen hatte. Wäre
das Ungleichgewicht zur anderen Seite ausgeschlagen, so hätte sie gewußt, daß es einer der beiden
Dämonen gewesen war, die ihre Plätze ausgetauscht hatten. Dann hätte sie den leichteren gegen
einen echten abwiegen und definieren können, denn wenn er leichter blieb, war er eine leichtere
Fälschung, war es aber ausgewogen, dann war der andere eine schwere Fälschung. Auf jeden Fall
wußte sie nun, daß der falsche Dämon sich unter den dreien befand, die sie weder bewegt noch
umgetauscht hatte. Und daß er schwerer war.
»Du und du«, sagte sie und zeigte auf zwei dieser drei. »Wiegt euch gegeneinander ab.« Das war
ihr dritter und letzter Faden.
Die beiden gehorchten. Sie waren gleich schwer.
Niobe wandte sich an den übriggebliebenen. »Hallo Magier!« Die Inkarnationen waren überrascht und
spendeten Applaus. Blanche und Blenda hoben froh die Köpfe. Satans böse Grimasse verstärkte sich.
Doch Niobe wußte, daß die Sache noch nicht vorüber war. Sie konnte ihren Sohn zwar nach der
Antwort fragen, doch was er ihr sagen würde, würde eine Lüge sein. Sie hatte alle drei Fäden
verbraucht, um bis zu diesem Punkt zu gelangen; sie konnte ihn nicht dazu zwingen, ihr die
Wahrheit zu sagen.
Doch würde sie die Wahrheit durch Ausscheiden erfahren können. Nur die Wahrheit war in sich
stimmig, früher oder später würde ein Lügenmuster sich selbst entlarven.
»Du darfst eine Frage stellen«, sagte Satan.
»Nur eine Frage!« entrüstete sie sich. »Das war nicht Teil der Abmachung!«
»Eine Seele steht auf dem Spiel, eine Frage wird beantwortet.«
So hatte sie die Sache nicht verstanden, doch sie erkannte, daß sie dagegen keine Vorkehrungen
getroffen hatte.
Auch Mars hatte es übersehen. Der Vater der Lüge hatte ein Schlupfloch entdeckt. Nun war sie ein
Opfer von Satans Interpretation der Spielregeln.
Nur eine Frage! Hätte sie sichergehen können, daß sie eine wahre Antwort erhalten würde, so hätte
sie einfach gefragt: »Wie kann ich Satans' Komplott gegen Luna zunichte machen?« Doch eine Lüge
konnte irgend etwas anderes beinhalten, so daß die Frage sie nicht weiterbrachte. Sie mußte eine
Frage finden, deren lügnerische Antwort genug offenbarte. Das war eine größere Herausforderung,
als ihr lieb war!
Konnte sie eine geeignete Ja-Nein-Frage formulieren, so daß die Lüge ihr die unmittelbare Antwort
gab? Nur, wenn sie die Antwort bereits ziemlich gut kannte und das tat sie nicht.
Hatte Satan nun doch gewonnen? Nicht ganz, denn sie war bis zu dem Magier vorgestoßen und hatte
ihn identifiziert. Sie hatte das Labyrinth durchdrungen. Doch bevor sie die Antwort, um
deretwillen sie gekommen war, bekommen hatte und aus der Hölle verschwunden war, war ihre Seele
noch nicht in Sicherheit. Und ebensowenig die Menschheit.
Niobe ließ den Blick wieder über das Publikum schweifen. Die Dämonen saßen da und schienen sich
schon auf Satans Sieg zu freuen, einige der verdammten Seelen sahen trübsinnig aus, und Mars, der
Schiedsrichter, blickte scheinbar
Weitere Kostenlose Bücher