Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
wußte, welche von beiden die
erforderliche Macht besaß, konnte sie sich ausschließlich auf diese konzentrieren und hatte eine
weitaus bessere Chance, sie zu entdecken. Dies war zwar nicht die direkte Antwort, die sie
gesucht hatte, aber es würde ihre Chancen im Kampf erhöhen.
»Magier, es folgt meine Frage«, sagte sie. »Ist es Atropos, die die Macht hat, Satans
gegenwärtigen Plan zunichte zu machen?«
»Nein«, erwiderte die Dämonengestalt.
Die verdammten Seelen seufzten enttäuscht, und die Dämonen kicherten erfreut. Sie glaubten, Niobe
habe versagt; sie wußten nicht, daß die Antwort eine Lüge war und daß Niobe davon wußte. Der
Magier hatte soeben ihre Vermutung bestätigt und ihr den Schlüssel zum Sieg in die Hand
gegeben.
Satan erhob sich von seinem Feuerthron. »Also bist du gescheitert und gehörst nun mir, du
armseliges Weib.«
»Weiche von mir, übler Gesell!« fauchte Niobe. »Meine Fäden sind verbraucht, ebenso jedoch deine
Illusionen. Ich habe das Labyrinth durchquert.«
»Aber du hast deine Antwort verloren«, sagte Satan und schritt auf sie zu. Nun erschien ein
Flammenkrariz, der die beiden umgab, ebenso die zwölf Dämonengestalten.
»Ich habe meine Antwort erhalten!« rief sie. »Ich wußte durch das Wiegen, daß du meinen
Sohn verzaubert hast, um zu lügen. Atropos ist die richtige!«
»Lächerlich!« sagte Satan. Der Feuerring kam immer näher und versengte die Dämonen, die
nacheinander in Flammen aufgingen, als sie sich entzündeten. »Jedermann weiß, daß du verloren
hast.« Er griff nach ihr, und nun flammten auch seine Hände. »Seit sechzig Jahren begehre ich
deine Seele, und nun gehört sie mir.«
»Nein!« rief Niobe. »Ich protestiere! Ich habe die Antwort!«
Mars erhob sich. »Satan, du verstößt gegen die Regeln«, sagte er. Er senkte die Hand auf den
Knauf seines großen, roten Schwerts. Satan schnitt eine Grimasse, hielt jedoch inne. Und der
Feuerkreis tat das gleiche. Es waren noch vier Dämonen da, von denen einer der Magier war. »Du
kommst auch noch an die Reihe, Kriegshetzer«, knurrte er. Und dann, ans Publikum gewandt: »Dann
soll die Spinnerin ihre Antwort vortragen, wenn sie eine hat. Hier und jetzt!«
»Einverstanden«, sagte Mars. Er blieb stehen, die Hand noch immer ans Schwert gelegt. Mars hatte
also jetzt direkt eingegriffen, um die Labyrinth-Regeln durchzusetzen. Es war eine weise Wahl von
ihr gewesen. Satans Kopf drehte sich in einem vollen Kreis und kehrte um, um Niobe zu beobachten.
Nun tanzten die Flammen um sie herum. »Gib deine Antwort preis, Schleimbeutel. Ich entlarve
deinen Bluff!«
Doch Niobe hatte die Sache noch nicht zu Ende gedacht. Sie wußte nur, daß sie den Schlüssel in
der Hand hielt. »Alles zu seiner Zeit, Schwefelgesicht!«
»Jetzt oder du hast verloren«, sagte Satan.
»Es gibt keine Zeitbeschränkung, erinnerst du dich?« Sie blieb stur. »Das Labyrinth ist erst dann
zu Ende, wenn ich die Antwort habe oder wenn ich sie nicht erhalte. Ich kann mir zwanzig Jahre
Zeit nehmen, wenn ich will. Stimmt das nicht, Mars?«
Mars lächelte grimmig. »Das stimmt, Lachesis. Es wurde keine Zeitspanne festgelegt. Deshalb hatte
ich auch nicht die Befugnis, zum Hier und Jetzt zuzustimmen, weshalb ich meine Zustimmung auch
widerrufe.«
»Gesegnetes Schlupfloch«, knurrte Satan. »Nun gut, dann werde ich eben warten... bis die Hölle
zufriert.« Er machte eine Geste, und der Flammenkreis schloß sich wieder enger.
»Was nicht allzu bald der Fall sein wird.«
Niobe wußte, daß diese Flammen ihr nichts anhaben konnten nicht, solange das Spiel nicht beendet
war. Doch wahrscheinlich konnten sie es ihr äußerst ungemütlich machen. Satan wollte ihr heiße
Füße bescheren, um sie abzulenken.
Sie konzentrierte sich so gut sie konnte. Es war also Atropos, die über die entscheidende
Macht verfügte. Folglich mußte es mit dem Beschneiden der Fäden zu tun haben. Doch Atropos konnte
einen Faden erst beschneiden, nachdem er bemessen worden war, und das fiel in Lachesis'
Befugnisbereich. Wenn die Vasallen Satans auf Erden durch das Handeln der Lachesis ausgeschaltet
werden konnten, warum hatte der Magier sie dann mit seiner Antwort ausgeschlossen?
Dann hätte er eigentlich »Ja« sagen müssen, um ihre Aufmerksamkeit auf Atropos zu rechten, da er
ja lügen mußte.
Es konnte also nicht mit dem Bemessen der Fäden zusammenhängen.
Was würde geschehen, wenn Atropos einen Faden beschnitt, der vorher nicht abgemessen worden
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