Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
diejenige, der Satan ein frühes Ende beschieden hatte, Niobe. Dein Mann hat den
Professor wegen deiner schlimmen Visionen befragt. Der Professor, der ein recht guter Magier ist,
hat die Sache untersucht. Er wollte den jungen Mann heranziehen, um einmal einen Lehrstuhl an der
Hochschule zu übernehmen, und er wollte sichergehen, daß sein familiärer Hintergrund stabil war.
Er entdeckte das Komplott und informierte deinen Mann. Cedric hat überhaupt nicht gezögert, er
ist sofort an deiner Stelle gegangen.«
Wieder war Niobe völlig benommen.
»Er ist... an meiner Stelle gegangen?«
»Es scheint, als seist du dazu bestimmt, Satan ein richtiger Dorn im Auge zu sein. Natürlich kann
keiner von uns alle Einzelheiten erkennen, nicht einmal Satan selbst, aber er hat versucht, dich
aus dem Weg zu schaffen. Satan besitzt eine schreckliche Macht, er ist sehr heimtückisch, subtil
und methodisch. Wir anderen Inkarnationen begriffen es nicht. Es war schon beinahe vorbei, bevor
wir überhaupt davon erfuhren. Der Höllenbote war freigelassen worden, doch Cedric empfing an
deiner Stelle den Schuß, der eigentlich für dich bestimmt war.«
»Wie...?«
»Der Mörder war ein Jäger, der vorübergehend von einem Dämonengeist besessen war. Der Befehl des
Dämons lautete, den sterblichen Menschen zu erschießen, der sich mit einem Baby singend an einer
bestimmten Eiche aufhielt. Satan ging davon aus, daß du das sein würdest. Das war das
Schlupfloch.«
»Das wäre ich auch gewesen!« mußte Niobe mit matter Stimme bestätigen. »Wenn Cedric
nicht...«
»Er liebte dich«, stimmte Gäa ihr zu. »Und er wußte, daß Satan dich tot sehen wollte. Also hat er
gleichzeitig dich gerettet und Satans Plan vereitelt. Selten gab es eine edlere Tat.«
»Aber wenn ich...«
»Du kannst das ritterliche Opfer deines Mannes nicht verhöhnen«, warf Gäa ein. »Du mußt das
Geschenk, das er dir vermacht hat, annehmen und tun, was zu tun er dir ermöglicht hat.«
»Ich... aber ich weiß doch überhaupt nicht, was...«
»Das ist es, was wir dir nicht sagen dürfen, obwohl wir selbst wenig genug wissen. Aber für dich
genügt es nun zu wissen, daß Satan persönlich dich für einen gefährlichen Gegner hält, und
sicherlich hat er recht. Lebe weiter, dann wirst du beizeiten deine Bestimmung erkennen.«
Niobe begriff, daß ihre Sache gescheitert war. Cedric hatte bereits für sie getan, was sie
eigentlich für ihn tun wollte. Nun hatte sie keine andere Wahl mehr, als es zu akzeptieren.
Sie taumelte über die Lichtung, durch das dichtwachsende Grünholz und kam wieder hervor neben der
Wassereiche in der Nähe ihres Heimes. Die Hamadryade erkannte sie und winkte.
»Ach, Cedric«, rief Niobe. » Ich war das Reh, das geschossen werden sollte. Und wie groß
war doch deine Liebe zu mir! Nun muß ich dich sterben lassen!«
Dann richtete sie ihr tränenüberströmtes Gesicht gen Himmel.
»Aber ich werde dich rächen, Cedric«, schwor sie.
»Irgendwie werde ich Satan dafür büßen lassen!«
Sie sank neben dem Baum zu Boden und lehnte sich weinend gegen seinen Stamm, während die Dryade
die Hände rang.
Oh, Cedric!
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4. Clotho
Die folgenden Tage waren äußerst unangenehm, trotz der kummerlindernden Zauber, die sie
verwendete. Zwar konnten sie ihrer Trauer etwas von der Schärfe nehmen, doch vermochten sie es
nicht - ja durften nicht - an ihrer Stelle das Glück setzen. Niobe suchte den Professor
auf und fragte ihn, warum er ihr nicht mitgeteilt hatte, was mit Cedric losgewesen war.
»Weil er es mir verboten hat«, erwiderte der Mann traurig.
»Er bestand darauf, daß Sie gerettet würden. Ich war so selbstsüchtig, ihn für das College haben
zu wollen. Er hatte solche Fähigkeiten! Doch er - und Satan offensichtlich auch! - glaubte, daß
Sie wichtiger seien, und dem hatte ich nichts entgegenzustellen.«
»Ja, er war es, der noch alles vor sich zu haben schien«, stimmte sie zu. »Cedric war mehr
wert als zwei von meiner Sorte. Ich habe keinerlei Vorstellung, was ich tun kann, um mein
Überleben zu rechtfertigen. Aber um seinetwillen werde ich weitermachen, werde unseren Sohn
aufziehen und Satan zur Genugtuung zwingen, wenn ich kann. Wenn der Fürst des Bösen geargwöhnt
haben sollte, daß ich ihm Ärger verursachen könnte, so hat er mit Sicherheit jetzt dafür gesorgt,
daß ich es auch tatsächlich tun werde!«
Sie begab sich ins Krankenhaus der Stadt, wo der Arzt immer noch mühsam versuchte, Cedric am
Leben zu
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