Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
schließen. Die beiden Radschahs hatten sich zu einer Verzweiflungstat entschlossen, als sie
ihre beiden Kinder unvermählt in den Zauberpalast geschickt hatten; denn nach allem Verstand
würde die Braut danach nicht mehr als Jungfrau in die Ehe gehen. Doch schließlich lebte man im
zwanzigsten Jahrhundert, und die Fürsten und Könige unternahmen das, was ihnen opportun erschien,
ohne sich dabei um althergebrachte Sitten und Gebräuche zu kümmern. Ein Zauberspruch würde
Entzücken vor einer frühzeitigen Schwangerschaft bewahren, und damit war der Moral genüge
getan.
»Aber was wird aus Orb?« fragte Entzücken in ehrlicher Besorgnis.
»Ich habe ihr meinen magischen Schlangenring gegeben«, sang Mym. »Wer ihn trägt, erfährt stets
die Wahrheit, sobald er nach ihr fragt. Ich glaube, Orb hat schon von meinem Treuebruch erfahren,
als ich davon noch nichts wußte. Sie brauchte den Ring nur zu fragen: Wird Mym
zurückkehren? , und dann hätte er zweimal gedrückt. Seit unserem Abschied sind zwei Jahre
vergangen. In, einer solchen Zeitspanne mag sie einen anderen gefunden haben. Ich bedaure
aufrichtig, was ich ihr angetan habe, aber sie wird wissen, daß ich sie ehrlich geliebt habe, als
man uns voneinander trennte, und daß ich festen Willens war, zu ihr zurückzukehren, aber leider
lange Zeit daran gehindert wurde.«
»Von einer anderen Frau gehindert wurde«, sagte Entzücken.
»Diese Nachricht würde ich ihr gern ersparen, aber wahrscheinlich weiß sie es längst... wenn sie
danach gefragt hat. Meine Gefühle für sie haben sich im Grunde nicht geändert, nur bin ich hier
einer Liebe begegnet, die schöner und stärker ist als die zu ihr. Allerdings halte ich es für
besser, ihr nie wieder über den Weg zu laufen.«
»Vielleicht sollte ich sie aufsuchen und ihr alles erklären...«
»Nein, sie weiß alles, sie kann alles erfahren, wenn sie es nur will. Wir müssen ihr die Freiheit
geben, ihr eigenes Leben zu führen. Mit dem Ring kann sie vielleicht den Llano finden, das Lied,
das sie seit vielen Jahren sucht. Soviel habe ich möglicherweise für sie getan.«
»Wenn du nur davon überzeugt bist...«
»Du hast soviel getan, hast gegen dich selbst gekämpft, um ihr kein Leid zuzufügen, um alles zu
vermeiden, was meine Liebe von ihr ablenken könnte«, erklärte er. »Du bist sogar soweit gegangen,
ein Messer an deine Brust zu setzen. Und dennoch haben wir beide uns gefunden, denn du bist, was
du bist, und ich bin, was ich bin... und der Zauberpalast hat sein Teil dazu getan. Alles hat
sich geändert, und so, wie es jetzt ist, möchte ich es erhalten, will ich mit allen Mitteln dafür
kämpfen.«
»Trotzdem fühle ich mich schuldig.«
»Wenn du dich schuldig fühlst, fühle ich mich auch schuldig. Doch ich denke, die Zeit wird dieses
Gefühl vergehen lassen.«
Und als der Monat vorüber war, war auch das Schuldgefühl vergangen.
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5. Kapitel
Schwert
Nur ein Teppich erschien, doch er war breit genug, sie beide aufzunehmen. Sie stiegen in die
Sänfte, schlossen die Vorhänge und liebten sich, während der Teppich sie heimwärts trug.
Der Teppich brachte sie nach Gudscherat, wo der Radschah sie bereits erwartete.
Mym stieg aus und reichte Entzücken eine Hand.
Ihre Kleidung war noch etwas zerknittert, aber sie sah immer noch hinreißend aus.
»Erhabener«, sang Mym, »ich erwähle die Prinzessin Entzücken von Malachit als meine Verlobte. Und
sie allein will ich freien.«
Der Radschah nickte, und seine Miene zeigte einen Hauch von Befriedigung. »Dann soll alles für
die Hochzeit vorbereitet werden.«
Und alles wurde vorbereitet. In der Zwischenzeit lebte Entzücken als Ehrengast im Palast des
Radschahs in Ahmedabad. Offiziell schlief sie allein in ihrer Suite, doch in Wahrheit verbrachte
sie jede Nacht bei Mym. Natürlich blieb das der Dienerschaft im Palast nicht verborgen, und somit
war klar, daß auch der Radschah darüber Bescheid wußte. Aber der Herrscher machte sich nicht viel
daraus, denn genau diese Verbindung hatte er ja angestrebt. Die Unterhändler der beiden
Königreiche setzten sich zu langen und komplizierten Verhandlungen über Art und Größe der Mitgift
zusammen, doch am Ende würden sie einen für beide Seiten zufriedenstellenden Ehevertrag
aufsetzen. Währenddessen behandelten sich Gudscherat und Maharaschtra wie enge Verbündete, was
den politischen Interessen beider Reiche sehr entgegenkam.
Mym arbeitete mit Eifer alles auf, was er vom Regieren wissen
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