Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
kam sich ungeheuer stark, unverletzlich und zu allem fähig vor. Sein Berserkerzorn wurde von
diesem neuen Gefühl verdrängt, und immer mehr von dieser wundersamen Macht breitete sich in ihm
aus.
Während er sich selbst verwundert bestaunte, ertönte ein Flüstern. Mym drehte sich um und
entdeckte einen dünnen Nebel, der sich verdichtete und die Form einer Frau annahm.
Deren Augen waren blau wie ein Sommerhimmel, und sie hatte grünes Haar.
»Gäa!« rief er erstaunt, als er die Inkarnation der Natur erkannte.
»Euch ist nun das Amt der Inkarnation des Krieges, den man auch unter solchen Namen wie Mars,
Ares und so weiter kennt, übertragen worden«, erklärte sie ihm. »Ich dachte mir, ich schaue
selbst einmal kurz vorbei für den Fall, daß Ihr noch die eine oder andere Frage habt.«
Nun erinnerte sich der Prinz wieder. Chronos, die Inkarnation der Zeit, hatte vor Zeiten ein
derartiges Erlebnis geweissagt.
»A-a-abe-e-er...«, begann er und wechselte dann rasch auf seinen Singsang über. »Aber ich möchte
nicht der Kriegsgott werden! Alles, was ich will, ist Entzücken zur Frau zu bekommen.«
»Das verstehe ich doch«, erklärte Gäa freundlich. »Allerdings sollt Ihr vorher folgendes
bedenken: Ihr müßt das Amt nicht annehmen. Wenn Ihr das Schwert zurückweist, es freisetzt, wird
es davonschweben und zum zweitbesten Kandidaten reisen. Ihr könnt dann Euer Leben als
Normalsterblicher fortsetzen. Ich bin nun hier, um Euch bei der Entscheidungsfindung zur Seite zu
stehen.«
Mym erinnerte sich, wie sie für die Hungernden das Manna vom Himmel hatte regnen lassen, und er
bedankte sich jetzt bei ihr dafür.
»Seht Ihr«, sagte die Natur dann, »die Inkarnation des Krieges existiert nur so lange, wie
irgendwo auf der Erde gekämpft wird. Wo immer Truppen einander gegenüberstehen, dort reist Mars
hin, um das Geschehen zu überwachen. Schließlich bedarf diese Welt einer gewissen Ordnung. In den
seltenen Zeiten, in denen überall auf der Erde Friede herrscht, löst Mars sich auf, und seine
Seele fährt, je nach Vermögen, in den Himmel oder in die Hölle. Kürzlich erst fand der letzte
Krieg sein Ende. Euer Vorgänger löste sich auf, und das rote Schwert war herrenlos. Doch nun
braut sich wieder ein Krieg zusammen, und daher wird ein neuer Mars gebraucht. Das rote Schwert
ist folgerichtig zu Euch gekommen. Nicht jeder kann zur Inkarnation des Mars werden. Nur jemand,
der im Umgang mit Waffen geübt ist und sich mit Strategie und Taktik auskennt, kommt überhaupt in
Frage. Weiterhin muß er dieses Amt antreten wollen; das heißt, er muß der kriegerischste von
allen Kandidaten in der Region sein, in der ein Krieg bevorsteht.«
»Aber ich wünsche doch gar nicht...«
»Der Wunsch nach Krieg drückte sich in den Gefühlen des Betreffenden aus«, erläuterte die Natur.
»Wut und Zorn ziehen das Schwert geradezu magnetisch an. Daher kann sich das Schwert bei seiner
Auswahl nicht geirrt haben.«
Nein, geirrt hatte es sich in dieser Frage bestimmt nicht. Es gab keine größere Wut als die eines
Berserkers, und sei es auch wie bei Prinz Mym ein kontrolliertes Berserkertum. Also war er von
dem roten Schwert auserwählt worden.
»Und doch kann ich ablehnen«, sang er. »Ich kann genauso gut sterblich bleiben und Entzücken
heiraten, oder?«
»Ihr könnt ablehnen«, antwortete sie, »doch ich bezweifle sehr, daß Ihr dann Entzücken heiraten
werdet. Nach einer Ablehnung bleibt Ihr Eurer Umgebung verhaftet. Es bliebe Euch dann, solange
Ihr Euch nicht für den Freitod entscheidet, nichts anderes übrig, als die Prinzessin von
Radschastan zu heiraten. Wenn Ihr Euch aber für das Amt entscheidet, erhaltet Ihr damit
außerordentliche Macht. Ihr wärt dann durchaus in der Lage, Entzücken zu Euch zu holen.«
»Aber sie bliebe eine Sterbliche!«
»Ja, in gewisser Weise. Doch sie könnte an Eurer Seite sein, und ihr Leben wäre nicht nach Ablauf
der festgelegten Spanne beendet. Allerdings müßte sie wohl ihre Heimat verlassen, das heißt, sie
müßte sich dafür entscheiden, an Eurer Seite an einen anderen Ort zu ziehen.«
»Sie wird sich bestimmt dafür entscheiden«, erklärte er überzeugt.
»Dann hättet Ihr ja nichts zu verlieren, wenn Ihr Euch für das Amt entscheidet. Wie dem auch sei,
ich muß Euch über einen Punkt in Kenntnis setzen...«
»Aha, also ist doch ein Haken an der Sache!«
»Eine Art Haken, ja«, bestätigte sie. »Es hat den Anschein, als habe Satan seine Hand im Spiel.
Er hatte
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