Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
Kleinbauern, der sich sein Leben lang abgeplagt hatte.
In den Jahren vor der großen Dürre hatte die Ernte ausgereicht, seine Familie durchzubringen.
Dann war die Regierung gestürzt worden, und Onkel-Zucker-Land hatte seine Hilfen eingestellt.
Nach zwei Mißernten wegen der Trockenheit hatte die neue Regierung den Hof des Mannes enteignet.
Der Bauer, der nun vor dem Nichts stand, hatte sich daraufhin den Rebellen angeschlossen. Viele
andere Bauern waren seinem Beispiel gefolgt. Dieselbe Regierung nun, die behauptete, über keine
Mittel zu verfügen, der notleidenden Landbevölkerung Hilfe zu bringen, fand offenbar genug
Reserven, wohlausgestattete Truppen in diese Region zu schicken, um die Rebellen zu
bekämpfen.
Der Rebell war nur mit einem Speer bewaffnet, die Soldaten hingegen trugen Gewehre. Er litt wie
seine Kameraden großen Hunger, während die Regierungstruppen ziemlich wohlgenährt aussahen. Doch
dieser arme Bauer wußte, daß er für eine gerechte Sache kämpfte, und außerdem hatte er nichts
mehr zu verlieren. Seine Kinder waren verhungert, und seine Frau war an Malaria gestorben. Der
Mann selbst hatte bis zum heutigen Tag überlebt, weil es seiner Truppe vor einiger Zeit gelungen
war, einen Regierungs-Außenposten zu überfallen und einzunehmen. Mit den dort gefundenen
Getreidevorräten hatte man sich einige Zeit durchschlagen können.
Heute erwartete er seinen letzten Kampf. Er hoffte, etliche Soldaten vorher töten zu können,
bevor ihn die Kugeln trafen. Soviel er wußte, bewirkte nur selten eine Kugel den sofortigen
Tod.
Sobald er getroffen war, wollte er daher aufspringen und dem Gegner mit dem Speer entgegenrennen
und möglichst viele Soldaten töten.
Die letzten Vorräte waren gestern aufgebraucht worden, und so erwartete ihn und seine Kameraden
nichts als ein ehrenvoller Tod.
Der Kopf der ersten Soldaten tauchte auf. Wenn er doch nur ein Gewehr hätte, wünschte sich der
Bauer.
Ein zweiter Kopf, dann ein dritter waren zu sehen.
Sie näherten sich rasch und hatten den ersten Graben erreicht. Der Bauer nahm allen Mut zusammen,
weil der entscheidende letzte Moment bevorstand. Er betete kurz für das Seelenheil seiner
verstorbenen Familie.
Ein Stein flog durch die Luft und traf den ersten Soldaten an der Schulter. Der Getroffene schrie
auf und begann zu schießen. Dabei achtete er nicht auf seine Schritte und stürzte in den
Graben.
Auch die Rebellen waren völlig überrascht. Der Bauer starrte nur auf den Soldaten, der stöhnend
wieder auf die Beine kam.
Mym griff ein. Er zwang den Rebellen, dem Soldaten mit dem Speer einen Hieb auf das Ohr zu
versetzen, das vorn verrutschten Helm nicht mehr geschützt wurde. Die kümmerliche Waffe zerbrach
zwar, aber der Soldat stieß einen furchtbaren Schrei aus und ließ sein Gewehr fallen.
Der Prinz brachte den Bauern dazu, aufzuspringen und die Schußwaffe zu ergreifen. Es war eine
ziemlich unmoderne Waffe, aber immer noch funktionstüchtig. Mym gab dem Rebellen ein, wie man ein
solches Gewehr bediente. Der Bauer erledigte den Mann im Graben. Dann richtete er es über den
Rand des Grabens, zielte und traf den nächsten Gegner. Ein dritter tauchte auf und wurde
ebenfalls angeschossen.
Weitere Soldaten schlichen heran, doch auch die Rebellen gerieten in Bewegung. Sie schrien und
lärmten, bis einer von ihnen rief: »Nehmt Euch die Gewehre! Holt Euch die Munition von den Toten!
Rasch! Wir können ihnen die Hölle heiß machen!«
»Wir wissen doch nicht, wie wir damit umgehen müssen!« rief ein Bauer.
»Kommt zu mir!« rief der eine Rebell, den Mym kontrollierte. »Es ist ganz leicht. Wir müssen zu
den Soldaten, die dort liegen! Wenn wir Glück haben, finden wir bei ihnen auch
Nahrungsmittel!«
Der Gedanke an Nahrung fuhr wie ein greller Blitz durch die Männer. Einer kroch aufs
Schlachtfeld, ergriff ein Gewehr und eilte zu Myms Rebell, der ihm zeigte, wie man zielte und
schoß. Der Prinz wußte, daß es zu langwierig sein würde, diesen Bauern auch das Laden begreiflich
zu machen.
Dennoch konnten die Aufständischen eine Verteidigungsstellung aufbauen, mit der die Soldaten
nicht gerechnet hatten. Die Rebellen waren zwar schlechte Schützen, doch allein die Tatsache, daß
zurückgeschossen wurde, zwang die Regierungstruppen zum ungeordneten Rückzug.
Plötzlich geschah es. Von einem Moment auf den anderen legte sich eine Starre über das
Schlachtfeld. Nichts regte sich mehr. Selbst die Kugeln blieben mitten in der Luft
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