Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
Tages gelangte sie in ein Dorf, in dem die Ziganos außergewöhnlich ungastlich waren. Das
überraschte Orb, denn sie hatte die Zigeuner überall als besonders fröhliches Volk erlebt.
»Was ist denn vorgefallen?« fragte sie einen Mann.
»Zinka hat das Wasser beschmutzt!« erhielt sie mürrisch zur Antwort.
»Wie das?« fragte sie und wunderte sich gleichzeitig über die Namensähnlichkeit von Zinka mit
ihrer Freundin Tinka.
»Zinka ist über das unterirdische Rohr geschritten, das uns das Wasser bringt«, erklärte eine
Frau empört. »Nun müssen wir weit, weit laufen, um an sauberes Wasser zu gelangen.«
Orb suchte und fand Zinka. Die junge Frau trug sich mit Selbstmordabsichten. »Ich habe mich
verlaufen«, jammerte sie. »Ich trug eine schwere Last und achtete nicht so sehr auf den Weg. Und
bevor ich es verhindern konnte, war es bereits geschehen!«
Bei den Zigeunern hielt man Frauen für unrein.
Orb hatte nur einmal davon gehört, erlebte hier aber zum ersten Mal die praktischen Auswirkungen
dieses Glaubens. Die Unreinheit der Frauen war zu Zeiten der Monatsblutung oder nach dem Gebären
am größten. Dann mußte die Betreffende vom Stamm ferngehalten werden, und man verbrannte alle
ihre Kleider. Doch auch außerhalb der kritischen Zeiten mißtraute man den Frauen. So war es ihnen
untersagt, über Wasserrohre zu steigen, da man ja nie genau wissen konnte, ob sie gerade rein
oder unrein war.
Die hiesigen Zigeuner würden jedenfalls nicht mehr von dem Wasser trinken, das aus dem Rohr kam,
über das Zinka geschritten war.
Orb sagte sich, daß es keinen Zweck haben würde, mit den Ziganos über diesen Aberglauben zu
streiten; dafür waren solche Gebräuche zu fest im Denken der Zigeuner verankert. Aber sie wollte
Zinka helfen. »Ich habe einmal ein paar Frauen geholfen, den Leichnam ihren Mannes zu
verbrennen«, erklärte sie Zinka. »Vielleicht finde ich für Sie ja auch einen Ausweg.«
Einen Moment lang trat Hoffnung in die Augen der Zigeunerin, doch die Verzweiflung in ihr war zu
stark. »Nein, es gibt keinen Ausweg. Und eine neue Leitung können wir auch nicht verlegen.«
»Vielleicht könnte ich die Verschmutzung aufheben.«
»Seid ihr denn eine Zauberin?«
»Nein, nur eine Harfenspielerin. Ich bin eigentlich auf der Suche nach Csihari, aber niemand kann
oder will mir sagen, wo er zu finden ist.«
»Niemand kann Csihari finden!« rief die Zigeunerin. »Er zeigt sich nur dem, den er sehen
will.«
Orb hatte so etwas vermutet. »Vielleicht zeigt er sich mir, wenn ich ihm ein Lied spiele.«
Zinka zuckte die Achseln. »Schon möglich. Doch wie soll mir das dabei helfen, die
Wasserverschmutzung aufzuheben?«
»Ich hoffe, daß meine Musik unsere Probleme löst.«
Orb ließ sich von ihr die Stelle zeigen, an der sie über das unterirdische Rohr gegangen war.
Dort hockte sie sich auf einen Stuhl und schlug ihre Harfe an.
Sie sang vom Wasser: von den Gebirgsquellen, von Bächen, von Flüssen, von Teichen und von Seen.
Die Magie strömte aus ihr und richtete sich auf das Wasserrohr.
Ziganos, die zufällig vorbeikamen, blieben verzaubert stehen oder riefen ihre Freunde
herbei.
Orb sang immer noch weiter, und nach einer Stunde hatte sich eine große Menschenmenge hier
versammelt.
Als Orbs Magie zum ersten Mal das Wasser berührte, spürte sie die Verschmutzung darin.
Jeder, der von diesem Wasser trank, würde erkranken, und alle Kleidungsstücke, die darin
gewaschen wurden, wären unrettbar verschmutzt.
Orb entdeckte, daß die Seele dieses Wassers vergiftet war. Ihr Gesang nun, verstärkt durch die
mächtige Magie, reinigte das Wasser, bis es wieder klar und sauber war. Orb hätte vorher nicht
geglaubt, was ihre Magie alles vermochte. Nun erfuhr sie, welche Macht sie besaß.
Endlich setzte sie die Harfe ab und fragte die Menge: »Das Wasser ist nun wieder rein, wer will
es als erster kosten?«
Doch keiner rührte sich. Wie sollte eine Verschmutzung so leicht zu beseitigen sein, fragten sie
sich, und vielleicht hatte Orb ja das Wasser auf ungewöhnliche Weise von neuem beschmutzt.
»Ich habe das Wasser mit meiner Musik berührt und gereinigt«, erklärte Orb. »Ihr braucht nichts
mehr zu befürchten. Jeder kann gefahrlos davon trinken.«
»Ich will es wagen!« rief Zinka. Sie ging zum Kran, drehte ihn auf, füllte einen Becher mit
Wasser und trank davon.
Sie blieb gerade stehen und zeigte keinerlei Veränderung.
»Zinka ist nicht krank geworden, weil die Fremde das Wasser gereinigt hat!« rief
Weitere Kostenlose Bücher