Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
ein Kind von ihm, und das ist unehelich.«
»Das würde so manchen schwarzen Blitz erklären.«
»Und ich habe meiner Mutter nichts davon gesagt.«
»Ja, das erklärt einiges.«
»Verurteilen Sie mich deswegen?«
»Aber nein. Ich habe meine eigene Mutter getötet, und Luna hat ihren Vater hintergangen. Wir
persönlich verstehen also etwas davon. Doch die Regeln für das, was gut oder böse ist, wurden vor
sehr, sehr langer Zeit aufgestellt, und sie sind bis heute gültig. Als Inkarnationen muß man
nicht mit diesen Regeln übereinstimmen, man hat nur dafür zu sorgen, daß sie erfüllt werden. Nach
den traditionellen Regeln haben Sie schwer gesündigt. Nach meiner privaten Definition hätten Sie
nur dann etwas Böses getan, wenn Sie jemandem großen Schmerz zugefügt haben.«
»Ich habe meinem Geliebten großen Schmerz zugefügt, weil er sich von mir trennen mußte.«
»Wie das? Haben Sie denn die Trennung herbeigeführt, oder waren Sie maßgeblich an ihr
beteiligt?«
»Nein.«
»Dann haben Sie keine Sünde begangen. Sie sollten sich nur vorsehen, sich selbst nicht allzu
wichtig zu nehmen. Denn nach den alten Regeln gibt es auch die Sünde der Hoffart. Doch nach
meiner persönlichen Meinung haben Sie nichts Böses getan.«
»Danke, das beruhigt mich.«
»Ja, Thanatos versteht es, einen zu beruhigen«, erklärte Luna.
»Ich denke, ich begreife auch allmählich, warum du ihn magst.« Der Mann, der das Amt des Todes
übernommen hatte, war ein verläßlicher, aufrichtiger Mensch. Viele Frauen hätten sich einen
solchen Mann gewünscht, zu dem sie so viel Vertrauen haben konnten. Somit war ein Teil der
Prophezeiung in Erfüllung gegangen: Luna liebte den Tod und würde ihn vielleicht sogar
heiraten.
Doch was war mit dem anderen Teil der Weissagung? Würde Orb wirklich den Teufel kennenlernen und
in ihm womöglich noch einen durchaus liebenswerten Mann sehen? Orb schauderte bei dem
Gedanken.
»Führen Sie mich bitte zu den Livin' Sludge«, bat sie rasch.
»Mortis wartet draußen schon«, antwortete der Tod.
»Sein Roß«, erklärte Luna, als sie Orbs verwirrte Miene sah.
Draußen stand ein schwerer Wagen. Orb dachte sich zunächst nichts dabei, doch dann marschierte
Thanatos auf ihn zu und öffnete den Schlag.
»Aber Luna hat doch gesagt...«
»Das ist Mortis.« Der Tod lächelte nur. Die Räder des Wagens verformten sich ebenso wie das
Chassis, und im nächsten Moment stand ein bleiches Roß vor ihnen.
Thanatos stieg auf und reichte Orb eine Hand. Sie schwang sich vor ihn auf den Sattel. Er legte
die Arme um sie und flüsterte Mortis etwas ins Ohr.
Das Roß machte ein paar Schritte und stieg dann in den Himmel auf.
Die Reise führte über und durch Wolkenbänke nach Süden. Sie kamen an einem Flugzeug vorbei, und
Mortis überholte es.
Orb fragte sich, warum der Tod das alles für sie tat. Offenbar mußte er Luna sehr lieben.
»Es heißt, Ihre Musik sei unvergleichlich«, sagte Thanatos.
»Nun, ich habe sicher Talent.«
»Ich hoffe, Sei können sich mit der Band arrangieren.«
Schon begann Mortis den Abstieg. Die riesige Stadt Miami breitete sich unter ihnen aus. Als die
Hufe die Straße berührten, verwandelte sich Mortis in den Wagen zurück. Sie ließen die City
hinter sich und gelangten in einen nicht sonderlich vornehm wirkenden Vorort. Mortis blieb
stehen.
Orb hörte schon von weitem Musik aus einer Halle: Gitarren, Schlagzeug und eine elektrische
Orgel.
Ein paar verwahrlost aussehende Jugendliche betrachteten mit mäßigem Interesse die beiden
Neuankömmlinge.
»He! Da ist er wieder!« rief der Drummer.
»Haben sie uns eine neue Sängerin mitgebracht?« fragte der Gitarrist. »Die schwarze Flamme, also
echt, die hat es voll gebracht. Wenn wir die noch mal kriegen könnten...«
»Nein, ich bringe Euch jemand anderen.«
Die Bandmitglieder starrten Orb von oben bis unten an. Sie stellten die Instrumente an eine Wand,
und die wenigen Zuhörer verließen langsam die Halle. »Was kannste?« fragte der Drummer.
»Harfe«, antwortete Orb.
»Ha?«
Orb wandte sich an Thanatos. »Ich weiß nicht, ob ich wirklich zu ihnen passe...«
»Spielen Sie ihnen einfach etwas vor.«
Orb zuckte die Achseln, holte ihre kleine Harfe aus der Tasche, setzte sich auf die Bühne und
fing an zu spielen. Wie immer klang Magie aus ihrer Musik.
Die Band lauschte ihr hingerissen. Als sie ihr kleines Lied beendet hatte, rief der Drummer:
»Scharf! Echt geil! Und du willst wirklich bei uns einsteigen?«
»Ich suche das
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