Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
aufgetragen«, antwortete Luna. »Er hat mir keinen Grund dafür genannt, sondern
nur angeordnet, daß ich bis zu meinem Lebensende das Haar so tragen muß.«
»Wie sonderbar... Aber sag doch, was ist denn dran an diesem Gerücht, daß du...«
»Daß der Tod mein Begleiter ist?« schmunzelte Luna. Sie wirkte äußerlich kerngesund, wie Orb
beruhigt feststellte. »Ja, wir beide sind ein Paar. Du wirst ihn bald kennenlernen.«
Sie flogen mit dem Teppich zu Lunas Heim, einem eleganten Anwesen mit großem Vorgarten. Zwei
Greifvögel hielten davor Wache. Als die beiden jungen Frauen dort ankamen, flatterten sie
bedrohlich mit den Schwingen. Dann erkannten sie Luna und beruhigten sich wieder.
Orb zog beim Anblick der Greife ein wenig die Schultern ein. Doch Luna stellte sie den beiden
Wächtern vor, und damit gehörte Orb offiziell zum Haus.
»Du malst ja wieder!« rief Orb entzückt, als sie durch die Zimmer schritten.
»Das Malen hat mir geholfen, mit dem Tod meines Vaters fertig zu werden.«
»Du mußt mir alles haarklein erzählen.«
»Der Zauberer hat es so eingerichtet, daß der Tod sich persönlich zu ihm bemühen mußte. Als er
kam, hat Vater mich Thanatos vorgestellt und in seine Obhut geschickt.«
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!«
»Er wollte, daß ich mich mit der Inkarnation des Todes anfreunde«, erklärte Luna so gelassen, als
hätte sie diese Geschichte schon über hundert Mal erzählt. »Zuerst habe ich es auch nicht
verstanden, doch später ist mir vieles klarer geworden. Anscheinend fällt mir in zwanzig Jahren
bei einer großen Auseinandersetzung zwischen Gott und Satan eine wichtige Rolle zu. Der Böse weiß
das natürlich und wird versuchen, mich schon vorher auszuschalten. Daher befinde ich mich in der
Obhut von Thanatos, um mich von ihm beschützen zu lassen.«
»Wie gruselig...«
Luna schüttelte den Kopf. »Nein, da machst du dir ganz falsche Vorstellungen. Thanatos ist ein
wirklich netter und liebenswerter Mann. Ich habe ihn gebeten, heute nachmittag bei mir
vorbeizukommen, damit du ihn kennenlernen kannst.«
»Dann... dann gefällt es dir also, mit dem Tod zusammenzusein...?« fragte Orb zögernd, denn so
recht konnte sie es immer noch nicht fassen.
»Ja, ich glaube, ich würde ihn sogar heiraten. Doch da das wohl ausgeschlossen ist, belassen wir
es dabei, ohne Trauschein zusammenzuleben.«
Orb hütete sich davor, dieses Thema weiterzuverfolgen. Sie hatte immer geglaubt, Luna so gut wie
sich selbst zu kennen. Doch jetzt fragte sie sich, ob sie sich da nicht täuschte.
»Und du?« lächelte Luna. »Wie ist es dir denn in den letzten drei Jahren ergangen?«
Orb erzählte ihr alles. Von Mym, von den Zigeunern und, ja, auch vom Baby, obwohl sie dafür
einigen Mut zusammennehmen mußte.
»Ein Kind!« rief Luna. »Wie wunderbar!«
»Nun ja, ein uneheliches Kind«, sagte Orb. »Ich habe es fortgegeben.«
»Ein Baby!« Luna strahlte immer noch.
»Niobe weiß noch nichts davon.«
»Oh, keine Bange, ich werde es ihr schon nicht sagen.«
Orb begriff, daß Luna sich wohl danach sehnte, einmal eine eigene Familie zu haben. Ihre Freundin
wollte alles vom Baby wissen, und während Orb ihr die Details erklärte, spürte sie, daß ihr
dadurch ihre eigene Kinderlosigkeit ein wenig leichter fiel.
Später erschien Thanatos. Orb bekam einen Schrecken, denn sein Kopf glich einem Totenschädel, und
was man sonst noch von seinem Körper sah, waren blanke Knochen. Doch dann zog er seinen
furchteinflößenden Umhang ab, und plötzlich stand ein ganz normaler junger Mann vor ihr.
»Er ist wirklich die Inkarnation des Todes«, erklärte Luna ihr. »Bei den etwas komplizierteren
Fällen sammelt er persönlich die Seelen ein und führt sie an ihren Zielort.«
Orb war noch so ergriffen, daß sie nicht wußte, was sie sagen sollte. Doch schon wandte sich
Thanatos an sie. »Ich habe gehört, Sie sollen sehr musikalisch sein. Möchten Sie irgendwann
wieder auftreten?«
»Ich suche eigentlich nach dem Llano«, antwortete Orb ausweichend, weil sie sich immer noch etwas
unbehaglich fühlte.
»Du könntest doch zusammen mit einer Gruppe reisen, so wie du das schon in Indien gemacht hast«,
schlug Luna vor.
»Ja, das könnte ich tun.«
»Ich bin einer Band begegnet, die eine Sängerin sucht«, erklärte Thanatos.
»So?« fragte Orb und spürte zu ihrer Verwunderung so etwas wie Interesse. Natürlich mußte sie
weiter nach dem Lied suchen, und da kamen ihr Reisegefährten ganz gelegen. »Was ist das
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