Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
Schiene längst nicht jede Stadt
erreichten und daher erhebliche Schwierigkeiten mit ihren Auftritten haben würden.
Auch der Vorschlag, sich ein Wohnmobil anzuschaffen, wurde verworfen. Lou-Mae erklärte, daß sie
zwischen einem Wohnmobil und einem Bus keinen Unterschied sähe und daß sie weder in das eine noch
in den anderen steigen würde.
Luna ergriff schließlich das Wort und sagte, ein Bus sei in der Tat die einzige Möglichkeit für
die Band. Aber Lou-Mae ließ sich nicht umstimmen.
»Ich achte schon darauf, daß dir niemand zu nahe kommt«, versprach ihr der Schlagzeuger.
»Du bist ja dummerweise der, vor dem ich mich am meisten fürchte«, entgegnete sie.
Seit dem Duett mit dem Drummer liebte Lou-Mae den jungen Musiker. Doch sie sah es als Todsünde
an, vor der Hochzeit mit einem Mann intim zu werden. Vielleicht hatte sie Angst vor sich selbst,
vielleicht war sie mit ihren sechzehn Jahren einfach noch zu grün hinter den Ohren. Der Drummer,
der Lou-Mae sehr liebte, übte sich in Zurückhaltung.
Damit war die Sache mit dem Bus gestorben.
Doch was nun?
»Wie wäre es denn mit einem fliegenden Teppich?« schlug Luna vor.
»Nie und nimmer!« rief der Gitarrist, und sein Gesicht zeigte schon eine leicht grünliche
Färbung.
»Hm, dann vielleicht ein Drachengespann?«
»Einem Drachen kann man nicht über den Weg trauen«, brummte der Organist. »Diese Scheusale warten
doch nur auf eine günstige Gelegenheit, den Kopf nach hinten zu drehen und die Wageninsassen zu
rösten.«
»Na gut, dann eben Einhörner.«
»Ach, die sind zu eigensinnig. Es ist noch nie gelungen, ein Einhorn wirklich zu zähmen«,
erwiderte der Drummer.
»Wißt Ihr was«, meldete sich Orb zu Wort, »ich besuche die hiesigen Zigeuner und frage, ob sie
einen Ausweg wissen.«
»Du kennst dich offenbar mit diesen Leuten aus, was?« fragte der Gitarrist. »Aber andererseits
habe ich es mir immer sehr romantisch vorgestellt, wie ein Zigeuner übers Land zu fahren und mir
unterwegs zu nehmen, was mir gefällt.«
Orb lächelte säuerlich. »Die Zigeuner müssen schließlich auch leben. Im Grunde sind sie kein
schlechter Menschenschlag. Ein Zigeuner mag es nur nicht, an einem Ort festgehalten zu
werden.«
Als Orb aufbrach, wollte der Gitarrist sie begleiten.
Ihm zuliebe mußte sie auf den fliegenden Teppich verzichten und bestellte ein Taxi. Sie fuhren in
den Nachbarort, wo sich auf einem freien Platz eine Zigeunersippe niedergelassen hatte.
Schon auf dem ersten Blick war Orb von diesen Zigeunern enttäuscht. Sie trugen keine
farbenprächtigen Kostüme, sondern normale Straßenkleidung, und statt buntbemalter Wagen fuhren
sie Straßenkreuzer.
»Lassen Sie uns in Ruhe!« erscholl es Orb entgegen, als sie dem Zug zu nahe kam. »Wir haben genug
mit unseren eigenen Problemen zu tun.«
Empört entgegnete Orb: »Ich habe bereits unter Ihresgleichen gelebt, und zwar in Europa. Außerdem
spreche ich die Sprache.«
»Na und? Was denn für eine Sprache?«
»Ich suche nach einer geeigneten Transportmöglichkeit«, erklärte Orb in Calo.
Sie starrten Orb nur verständnislos an. Dann trat eine uralte Frau vor, die immerzu mit dem Kopf
nickte. »Sie spricht die alte Sprache«, krächzte sie. »Wir Alten haben sie fast vergessen, und
den Jungen war es zu mühsam, sie zu lernen.«
Orbs Empörung verwandelte sich in Enttäuschung.
»Vielleicht können Sie mir trotzdem helfen...«
»Warum nehmen Sie denn nicht einen Teppich oder einen Bus?«
»Ach, wir sind zu fünft. Der eine hat Flugangst, und ein Mädchen möchte nicht zusammen mit
mehreren jungen Burschen in einem Bus reisen.«
»Sie haben vielleicht Probleme. Doch ich wüßte einen Rat: Kennen Sie sich mit der Art der
Zigeuner aus?«
»Nun, ich glaube, ich sagte bereits, daß ich in Europa...«
»Können Sie tanzen?«
Das meinte sie also! »Ich kenne den Tanana, nur...«
Die Alte lachte: »Nur Sie wollen ihn nicht tanzen, weil Sie sonst vor Scham in den Boden
versinken würden. Nein, mein Kind, Sie sind keine echte Zigeunerin!«
»Das stimmt, doch ich respektiere die Sitten und Gebräuche der Zigeuner. Können Sie mir trotzdem
helfen?«
»Vielleicht... vielleicht... Haben Sie schon mal von Jonas gehört?«
»Nein.«
»Von dem Wal, der Jonas verschluckt hat.«
»Ach, der aus der Bibel.«
»Er wurde dafür verdammt, mußte aber nicht in die Hölle. Er ist dazu verdammt, durch Luft und
Erde zu schwimmen, doch niemals darf er Wasser berühren. Erst das Llano kann ihn von diesem Fluch
Weitere Kostenlose Bücher