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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Harras.
    Nachdem Walde zugestimmt hatte, räumte der Richter die in Arbeit befindliche Mappe auf einen der hohen Aktenstapel, die sich auf beiden Seiten der tintenfleckigen Schreibauflage türmten.
    Sie verließen das Büro. Beim Abschließen der Tür sagte Harras: »Ich gebe kurz im Sekretariat Bescheid, dass ich gehe.«
    An den Flurwänden waren neben den Räumen der Rechtsanwälte eine Reihe Haken angebracht. Sie hingen zum Brechen voll mit Jacken und Mänteln. Ein langer Wollmantel mit dunklem Pelzbesatz fiel Walde ins Auge, der eindeutig Anwalt Haupenberg gehörte. Darunter lag auf dem Fußboden ein Hut, Haupenbergs Borsalino, mit der Öffnung nach oben. Im Hutinneren lag etwas Glänzendes. Walde blieb stehen. Harras ebenfalls. Der Richter zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche. Es gab einen hellen Ton, als Münze auf Münze traf. Ohne eine Miene zu verziehen, ging Harras weiter. Als Walde ihm folgte, hörte er hinter sich Schritte, die abrupt aussetzten, dann das Klingen von Münzen und schließlich Gelächter.
     
    Sie fuhren mit dem Fahrstuhl bis in den Keller und verließen diesen über eine Rampe, die dazu genutzt wurde, Häftlinge aus den Gefängniswagen zu den Zellen im Kellertrakt des Gerichts zu befördern. In der angrenzenden Dietrichstraße war kein Fotograf zu sehen. Der Richter führte Walde zu einem Café am Paulusplatz.
    Sie nahmen an einem kleinen Tisch am Fenster Platz, von wo sie auf die Fassade der Werkkunstschule mit ihren hohen Fenstern sehen konnten. Der bestellte Kaffee wurde schnell serviert.
    »Ich habe viel nachgedacht, über meine Familie und meine berufliche Vergangenheit.« Der Richter schaute an Walde vorbei zum Fenster hinaus. »Ich war kein guter Vater. Für die Erziehung der Kinder hielt ich meine Frau zuständig. Als mein Sohn verschwunden ist, habe ich sie dafür verantwortlich gemacht.« Er rührte im Kaffee. Walde kam es vor, als spreche Harras zu sich selbst. »Das war ein Fehler. Sie ist daran zugründe gegangen. Sie hat gewartet, aber es kam und kam kein Lebenszeichen von ihm, nicht mal eine Postkarte. Sie ist krank geworden. Keine fünfzig war sie, als sie starb. Und ich hab’ mich noch mehr in den Beruf gestürzt und alle gehasst, die mit BTM-Sachen zu mir kamen. Ich dachte, ich mach’ was gut, wenn ich sie in Haft stecke. Nur weil ich in den Drogen den Grund für das Verschwinden meines Sohnes sah.«
    »Und weshalb ist er weggegangen?«
    »Das weiß ich immer noch nicht. Ich weiß heute nur, dass ich keinen dafür verantwortlich machen kann«, er nippte am Kaffee. »Nicht mal mich selbst.« Harras’ Stimme ging in der ansteigenden Geräuschkulisse des Cafés unter.
    Aus der gegenüberliegenden Schule strömten mehr und mehr Schüler herein und belagerten die Verkaufstheke. Ein blondes Mädchen überquerte mit gemächlichen Schritten inmitten der hetzenden Schüler die Straße. Sie schien älter zu sein, vielleicht studierte sie Modedesign. So könnte Doris als Studentin ausgesehen haben, dachte Walde.
    Auch dem Richter schien das Mädchen nicht entgangen zu sein. Erinnerte sie ihn an seine Tochter?
    Walde konnte ihn gegen den Lärm an der Theke kaum verstehen. »Heute Mittag wird Hanna beigesetzt. Ich weiß nicht, wie ich das mit den Presseleuten durchstehen soll.«
    »Wenn Sie möchten, kann die Polizei Sie abschirmen, natürlich in Zivil«, bot Walde an.
    Der Richter seufzte. »Manchmal hoffe ich, in einem Albtraum zu sein und bloß aufwachen zu müssen und alles wieder so ist, wie es war.«
    Harras stand auf. Walde erhob sich ebenfalls. Der Richter drückte ihm die Hand: »Ich nehme Ihr Angebot an.« Fast unhörbar fügte er hinzu: »Fassen Sie den Täter!«
    *
    Kaum hatte Walde sich umgezogen und eine Wandfläche mit hartnäckigen Tapetenresten in Angriff genommen, als eine schnelle Tonfolge ihn zusammenzucken ließ. Vor der Haustür stand ein mannshoher Karton.
    »Nimmst du den bitte mal.« Marie lugte neben dem Teil hervor.
    Eine Viertelstunde später hatten sich schon etliche Kartons im Kinderzimmer angesammelt. Walde konnte kaum glauben, dass das alles in Maries Kangoo gepasst hatte, der nicht leer zu werden schien.
    »Was habt ihr denn da alles gekauft?«, fragte er keuchend. Er versuchte, Platz für den Aufbau der Möbel zu schaffen.
    »Erst beim Schreibtisch konnte ich Doris bremsen«, sagte Marie und schaute zu Doris hinüber, die auf einem der Kartons saß und mit beiden Händen ihren Bauch umfasst hielt.
    Walde öffnete einen Karton und zog die

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