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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Gespräch mit Stiermann dabei warst.«
    »Als Blitzableiter?«
    »Nein, als Beistand, wirklich, das meine ich ehrlich. Allein hätte ich das mit Stiermann nicht durchgestanden.«
    »Dafür hast du aber noch ganz schön frech abgedrückt«, sagte Walde.
    »Das war nichts als panische Flucht nach vorn. Ich hab’ Mist gebaut und dazu stehe ich auch, da brauchst du keine Angst zu haben, als Blitzableiter, wie du es ausgedrückt hast, missbraucht zu werden.«
    Walde spürte, dass Gabi es ernst meinte. Jetzt nahm er wieder ihre Kopfbedeckung wahr. »Fährst du nach Ascot zum Pferderennen?«
    »Hast du etwa die Beerdigung vergessen?«
    »Die hab’ ich genauso wenig vergessen wie deinen Auftritt bei Stiermann.«
    »Wie ich schon sagte, das war die Flucht nach vorn. Monika ist übrigens der gleichen Meinung wie ich, dass wir uns auf BILD gar nicht einzulassen brauchen. Die würden uns bei einer Stellungnahme sowieso das Wort im Mund herumdrehen.«
    »Ich muss die Möbel ins Kinderzimmer räumen, sonst kommt hier morgen keiner beim Umzug durch.«
    »Dann beeil’ dich.«
    »Das krieg’ ich allein nicht hin, da muss mir jemand helfen«, sagte Walde. »Kannst du vielleicht?«
    »Na gut, aber erst nach der Beerdigung.«
    Draußen blieb Walde hinter Gabis Wagen stehen und besah sich den verräterischen Fleck neben dem Nummernschild, wo bis vor wenigen Stunden der Aufkleber von Eintracht Trier geklebt hatte.
    »Worauf wartest du?«, rief ihm Gabi zu. »Wir fahren mit deiner Kiste. Ich hab’ kaum mehr Benzin im Tank. Hoffentlich sind deine Sitze sauber.«
     
    Sie fuhren an der hohen Mauer des Hauptfriedhofs vorbei, über die zwischen Baumwipfeln die Spitzen mächtiger Grabmale mit Engeln und Kreuzen lugten. Am Tor, nahe der Friedhofskapelle, war einem Kamerateam und ein paar Fotografen von den dort kontrollierenden Polizisten der Zutritt verwehrt worden. Ab und an richtete jemand aus dem Grüppchen ein Objektiv auf einen Passanten, der zur Trauerfeier eilte.
    Als Walde und Gabi das Tor erreichten, kam Bewegung in die Gruppe der Presseleute. Gabi putzte sich mit einem Trompetenstoß die Nase. Walde traute seinen Augen nicht, als er zu seiner Begleiterin hinüber sah. Sie trug einen dünnen schwarzen Schleier vor dem Gesicht, der oben am Hut befestigt war. Sie erinnerte ihn an Jackie Onassis bei der Beerdigung ihres zweiten Ehemannes. Allerdings war Gabi etwas größer und kräftiger als die legendäre Witwe.
    »Jungs, ich nehm’ mir den gleichen Anwalt wie Prinzessin Caroline, falls ihr auf die Idee kommen solltet, noch ein unvorteilhaftes Foto von mir zu veröffentlichen«, rief Gabi den Presseleuten zu.
    »Welches meinen Sie?«, fragte einer von ihnen zurück.
    Gabi hielt es diesmal für angebracht, ihr vorlautes Mundwerk zu halten.
    »Alle weiteren Eingänge werden ebenfalls überwacht«, teilte sie Walde mit, als sie auf einem der breiten Kieswege im Inneren der hohen Mauern angelangt waren. »Harras wird über eine Zufahrt, die vom Friedhofspersonal genutzt wird, direkt zur Kapelle gebracht.«
    »Du hast dem Fotografen keine Antwort gegeben, als er dich auf das bereits veröffentlichte Foto ansprach.«
    Gabi schien es plötzlich eilig zu haben: »Am besten trennen wir uns. Hiermit halten wir Verbindung.« Sie reichte Walde ein Funkgerät. »Wehe, es hat sich ein Paparazzo hereingeschlichen!«
    »Übrigens«, platzte es aus Walde heraus. »Wenn weiter der Vorhang vor deiner Mütze hängt, weigere ich mich, mit dir zusammenzuarbeiten.« Er war sauer, sein Geduldsfaden war gerissen. »Dann kenn’ ich dich nicht. Ich mach’ mich hier nicht zum Affen.«
    Gabi zeigte keine Reaktion. An der Weggabelung in Höhe der Friedhofskapelle stakste sie mit knirschenden Schritten in Richtung der Gräberfelder davon.
    Walde sah sich um. Überwiegend junge Menschen waren zur Kapelle unterwegs.
    Bis zum Anfang der Grabreihen erstreckten sich große Rasenflächen, die mit braunen Flecken durchsetzt waren. Walde vergaß die Assoziation zu den Leichenflecken, als die ersten Gräber unter den Bäumen auftauchten. Viele waren von Blättern bedeckt. Vergessene Blumen von Allerheiligen verfaulten in den Vasen. Keine Menschenseele war an den Gräbern oder auf den Wegen zu sehen. Auf den Grabsteinen las Walde unter den Familiennamen die Vornamen und Jahreszahlen der Geburts- und Todesjahre. Er stellte fest, dass die Frauen meist später, mitunter sehr viel später gestorben waren als ihre Ehemänner. Selten war die Stelle für den zweiten Namen noch

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