Inkubus
beruhig dich doch. Giuditta!«
Giuditta kam eilig herbei, eine Schar fröhlicher Kleinkinder im Schlepptau, in deren Gesichtern und Haaren Spuren von Mehl und Eiern klebten. Sie nahm den Jungen auf den Arm und schaute Frese vorwurfsvoll an. »Was hast du ihm denn getan?«
»Gar nichts … der hat auf einmal Angst bekommen …«
»Das sehe ich«, meinte Giuditta und wischte dem Jungen, der sich allmählich beruhigte, die Tränen von den Wangen.
»Ich habe gar nichts gemacht, er hat sich einfach erschreckt«, rechtfertigte sich Frese erneut.
Giuditta drehte ihm den Rücken zu und streichelte das Kind tröstend. »Komm, mein Kleiner. Jetzt machen wir dich erst einmal sauber und dann hilfst du mir beim Plätzchenbacken. Das magst du doch, oder?«, sagte sie, während sie mit ihm die Terrasse verließ.
Da brachte der Junge schon wieder ein Lächeln zu Stande.
»Stöpsel …«, brummte Frese und setzte sich an den Tisch, auf dem sich die Unterlagen stapelten.
»Lass ja ihre Kinder in Ruhe«, meinte Amaldi zerstreut, ohne von seinen Anrufnotizen aufzuschauen.
»Hast du manchmal Angst vor Inkontinenz?«, fragte Frese.
»Wie bitte?«
»Ach nichts, ist nicht so wichtig.«
Amaldi zog Frese eins mit dem Protokoll des Telefonats über, der den Schlag kommentarlos einsteckte. Dann studierte er wieder aufmerksam seine Mitschrift. » Ein Mann wird gleich umgebracht …« , las er mit lauter Stimme vor, wobei er jedes Wort einzeln betonte. »Er hat ihm Ort und Uhrzeit der Hinrichtung mitgeteilt … und dann, ehe er auflegte, meinte er: Du bist das Gesetz, du darfst nicht fehlen … Papa . Ist das wirklich ganz sicher?«
»Das hast du mich schon mal gefragt«, stöhnte Frese auf. »Boiron hat es uns so wiedergegeben. Könnte er sich das ausgedacht haben? Das glaube ich kaum. Warum sollte er so was tun? Also wird es wohl stimmen, wenn er sagt, dass der Anrufer ihn Papa genannt hat, oder?«
Amaldi nahm ein Blatt mit Notizen hoch. Emilio Boiron, vierundfünfzig Jahre, Richter. Seit zwei Jahren verheiratet. Alter der Frau: neunzehn. Praktisch noch ein Mädchen. Keine Kinder. Eine frühere Ehe. Ebenfalls kinderlos.
»Er hat keine Kinder?«, fragte Amaldi.
»Es sieht nicht danach aus.«
»Auch keine … unehelichen?«
»Nein.«
»Hast du ihn danach gefragt?«
»Ich habe ihn danach gefragt.«
»Und wie hat er reagiert?«
»Er hat es verneint.«
»Vielleicht weiß er es nicht einmal … es könnte aus einer flüchtigen Affäre stammen … Hast du ihn gefragt, ob er das für möglich hält?«
»Ja, habe ich, und er hat gesagt, dass er das nicht für möglich hält. In dem Punkt war er sehr entschieden.«
»Entschieden …«
»Jawohl, entschieden. Also wirklich, Giacomo.« Frese stampfte genervt mit dem Fuß auf.
»Und du, was denkst du?«
»Ich habe ihm geglaubt. Er war weder aufgeregt noch durcheinander. Der hatte keinerlei Zweifel.«
Amaldi konzentrierte sich wieder auf die Aufzeichnungen. Die gelbe Aktenmappe mit den Fotos des Opfers, den Berichten der Spurensicherung und dem Autopsiebericht des Gerichtsmediziners lag noch ungeöffnet auf dem Tisch. »Ich habe dir gesagt, dass du keine Unterlagen herumliegen lassen sollst, oder?«, meinte er, ohne aufzuschauen.
»Ja, das hast du«, antwortete Frese. »Können wir nicht hineingehen? Die Sonne brennt so heiß.«
»Giuditta macht sich Sorgen, dass die Kinder dieses Zeug zu Gesicht bekommen.«
»Ja, hab ich begriffen. Können wir nicht trotzdem hineingehen?«
»Und wie erklärt er sich das?«
»Wer?«
»Boiron, was meint er zu diesem Papa ? Was für eine Erklärung hat er dafür?«
»Gar keine. Er hat angenommen, dass es sich um irgendeinen Spinner handelt und die Polizei nur angerufen, weil die Sache ihm irgendwie merkwürdig vorkam. Wenn der Mörder bei irgendeinem normalen Bürger angerufen hätte, hätte der das Ganze wahrscheinlich für einen blöden Scherz gehalten und nichts weiter unternommen.«
»Er ist also davon überzeugt, dass der Anrufer sich bei ihm gemeldet hat, um sicherzugehen, dass er auch die Polizei rufen würde?«
»Nein, das behaupte ich jetzt.«
»Und du glaubst wirklich, das war der Grund?«
»Nein. Ich glaube gar nichts … Ich habe lediglich eine Vermutung geäußert, weiter nichts. Ich meine allerdings, wenn er bei irgendeinem Gemüsehändler angerufen hätte, hätte der einfach aufgelegt und weitergeschlafen und höchstens davon geträumt, ihm eine Gurke in den Arsch zu schieben. Aber sonst wäre nichts passiert.«
»Gut, in
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